Vielbeschäftigter Avantgarde-Pianist von überragendem Format, Komponist mit Hang zur Improvisation, unbeugsamer Verfechter einer politischen Ästhetik, überzeugter Linker: Frederic Rzewski ist eine außergewöhnliche Erscheinung in der amerikanischen Musik des 20. Jahrhunderts. Im aktuellen Revolutionen-Gedenkjahr ist er 80 geworden und spielt persönlich im Mousonturm sein wohl wichtigstes Werk, den grandiosen, rund einstündigen und weitgehend tonal komponierten Zyklus für Klavier „The People United Will Never Be Defeated!“ – 36 Variationen über das chilenische Revolutionslied „¡El pueblo unido, jamás será vencido!“. Sie verbinden auf einzigartige Weise politische und künstlerische Avantgarde, utopische Hoffnung und virtuose Brillanz, traditionelle Form und Techniken der Neuen Musik. Vielleicht hat Rzewski damit die „Diabelli-Variationen“ des 20. Jahrhunderts geschrieben.
Außerdem spielt er die europäische Erstaufführung von „Saints & Sinners“, einer Eiegnkomposition. Der fast zeitgleiche Tod von Fidel Castro am 24. November 2016 und Pauline Oliveros am darauffolgenden Tag war für Rzewski Anlaß, das Konzept von Sündern und Heiligen im aktuellen Kontext zu betrachten. Fidel Castro als langjähriger Alleinherrscher Kubas und Pauline Oliveros, die amerikanische Avantgarde-Komponistin, waren zu ihrer Zeit kontroverse Persönlichkeiten. Dennoch gab und gibt es Menschen, für die beide entweder in die Kategorie „Heiliger“ oder eben in die des „Teufels“ gehört. Während eine historische Einordnung von Castro und seinem Wirken recht eindeutig ausfallen dürfte, ist es im Falle von Pauline Oliveros insbesondere ihre Vielfalt im Wirken, das sie auszeichnet und auch zur kontroversen Person macht. Sie war einerseits eine berühmte Komponistin und Interpretin, andererseits schuf sie aber Grundlagen für ein neues Verständnis östlichen Denkens, z.B. im Fall von Yoga. Vor allem aber war sie als bekennende Homosexuelle Wegbereiterin der Frauenbewegung und der Wahrnehmung von Gender- und Geschlechtsrollen gleichzeitig geachtet – und verachtet.
Am Flügel: Frederic Rzewski