Über Practicing Empathy #3 - Zwei Fragen an Yasmeen Godder
Anna Wagner: “Practicing Empathy #3” ist deine erste Soloarbeit seit vielen Jahren. Sie entstand inmitten der Corona-Pandemie im Sommer 2021. Seither performst du das Stück in verschiedensten Kontexten. Was bedeutet für dich, dieses Stück seither zu zeigen?
Yasmeen Godder: Das Stück hat sich im Laufe der Zeit ständig verändert, auch noch während der Covid-Pandemie. Denn jedes Mal musste ich erwähnen, wie lange die Shutdowns schon her sind. Als ich das Solo zum ersten Mal aufführte, waren die Lockdowns gerade erst wenige Monate alt. Mit der Zeit wurde es eher zu einer Erinnerung an diese.
Jetzt habe ich das Gefühl, dass es mehr zu einem Rückblick auf eine Krise geworden ist – in Bezug auf die Tatsache, dass ich momentan selbst in einer Zeit der Krise lebe.
Was sich verändert hat, ist: Als ich das Stück damals außerhalb von Israel aufführte, gab es einen roten Faden, der alle auf eine bestimmte Weise miteinander verband. Es war eine globale Erfahrung – Isolation, Einsamkeit und das Ringen jedes Einzelnen mit der Situation - waren in vielen Teilen der Welt sehr ähnlich. Ich hatte das Gefühl, dass ich über etwas spreche zu dem sich das Publikum direkt mit in Bezug setzten konnte.
Und jetzt, obwohl ich dieselbe, unveränderte Situation beschreibe ist es spürbar, dass die Entwicklungen in Israel feine Nuancen und Spannungen entstehen lassen, die die Frage aufwirft, was es bedeutet, jetzt in einer Krise zu sein im Verhältnis zur damaligen Krise? Vielleicht gibt es sogar eine gewisse Distanz – ich möchte nicht Voyeurismus sagen, aber es ist ein bisschen so, als würde man einer Person zuschauen, die gerade eine neue Krise in ihrem Land erlebt, während der Rest von außen zusieht.
Das Stück verändert sich also ständig, es verschiebt sich in seinen untergründigen Bedeutungen. Auch wenn die dokumentarische Ebene im Kern gleichbleibt, ist der Bezug heute ein anderer im Licht der gegenwärtigen Erfahrungen.
„Practicing Empathy #3“ ist der letzte Teil einer Performance-Reihe, in der deine Kompanie und Du die Möglichkeiten von Performances als Ereignis, bei dem sich Menschen, die sich nicht kennen aufeinandertreffen, untersucht haben. Du lebst und arbeitest in Tel Aviv/Jaffa. Hat sich in den letzten zwei Jahren, in denen Du mit vielen existentiellen Herausforderungen konfrontiert bist, deine Sicht auf diesen Ort der Begegnung, auf diese Möglichkeiten und auf Empathie im Allgemeinen verändert?
Ich glaube als Mensch immer noch daran, dass Tanz ein Mittel der Verbindung ist und an die Möglichkeit, dass sich Menschen – auch Fremde – durch den Tanz begegnen können. Gleichzeitig habe ich, gerade in diesen herausfordernden und schwierigen Zeiten, auch die Erfahrung gemacht, wie schwer es ist, Tanz weiterhin auf die gleiche Weise zu nutzen oder Projekte einfach so fortzuführen, wie sie bisher waren. Ich musste mich auf eine größere, vielleicht empathische Praxis einlassen, um die Sensibilitäten dieser Zeit besser zu verstehen. „Practicing Empathy“ ist ein Projekt, das mir viele Werkzeuge an die Hand gegeben hat – und nach wie vor gibt –, um darüber nachzudenken, was ich tue. Und wie ich das tue: in Bezug auf meine künstlerische Praxis, meine Kompanie und die Art von Projekten, die ich in Angriff nehme. Gleichzeitig spüre ich aber auch, dass die Herausforderungen größer geworden sind. Es geht mir weniger ums Überwinden als darum herauszufinden, wie entstandene Kluften überbrückt werden können. Oder die Distanz, die Komplexität darin, eine gemeinsame Basis zwischen Menschen zu finden. Es ist also ganz klar eine echte Herausforderung im Moment.