Moon Machine ist eine mobile Musikinsel, eine Bastelarbeit aus pneumatischen Instrumenten und mechatronischen Klangmaschinen, aus Sonnenschirm, Signalhörnern und akustischen Kollisionswarngeräten. Gebaut wurde sie zur höheren Ehre der US-amerikanischen Musiker- und Komponistenlegende Moondog vom Komponisten Thies Mynther (auch bekannt von Bands wie Phantom Ghost und Chicks on Speed), dem Theatermacher Veit Sprenger (Showcase Beat le Mot) und dem bildenden Künstler Tobias Euler (Gründer des legendären Jonny Knüppel in Berlin). Nach dem erfolgreichen Besuch bei der Ars Electronica in Linz bespielen die Künstler nun drei Abende lang ihre Maschine am Mousonturm und verweben in ihrer Performance Moondogs Werke und seine Instrumentenerfindungen wie Trimba oder Dragon’s Teeth mit eigenen Songs, Gedichten und musikalischen Experimenten.
Bereits ab 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn kann die Installation der Moon Machine allabendlich vom Publikum erlebt und erkundet werden!
Infos
Dauer: 90 Min.
Die Installation kann bereits ab 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn be treten werden. Einlass beginnt 45 Min. vor Vorstellungsbeginn.
Die Erfassung der Kontaktdaten zur vorgeschriebenen Nachverfolgung im Covid-19 Fall erfolgt am Veranstaltungsort.
Die allgemeinen Hygiene- und Abstandsregeln sind einzuhalten.
Das Tragen eines medizinischen Mund- und Nasenschutzes ist im ganzen Haus, auch am Sitzplatz verpflichtend.
Einlass nur mit gültigem Negativnachweis (Getestet, Geimpft oder Genesen).
Ein Antigenschnelltest darf bei dieser Veranstaltung maximal 24 Stunden alt sein.
Mehr Infos zu Hygiene und Sicherheit
Ursprünglich sollte die Veranstaltung am 1.11.-22.11.2020 stattfinden. Karten behalten ihre Gültigkeit.
Beteiligte und Förderer
Kompositionen: Moondog
Konzept, Text, weitere Songs/Kompositionen: Thies Mynther und Veit Sprenger
Mechatronische Instrumente: Tobias Euler
Eine Produktion von Thies Mynther und Veit Sprenger in Koproduktion mit dem Theater im Pumpenhaus Münster, dem Flurstücke Festival und der Kunsthalle Münster, gefördert vom Fonds Darstellende Künste. Dank an Kampnagel Hamburg, Kunstverein Hamburg, Ars Electronica Linz.
Gefördert durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst im Rahmen der intergenerationalen Vermittlungsinitiative ALL IN – FÜR PUBLIKUM JEDEN ALTERS und unterstützt durch das NATIONALE PERFORMANCE NETZ Gastspielförderung Theater, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, sowie den Kultur- und Kunstministerien der Länder.
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Der Guru und der Bollerwagen
„Moondog“ hieß eigentlich Louis Thomas Hardin. Der Sohn eines Wanderpredigers aus Kansas erblindete, als er 16 war – und ist zur nicht nur musikalischen Legende geworden. Der Musiker Thies Mynther, der Theatermacher Veit Sprenger und der bildende Künstler Tobias Euler ehren und beschwören den wie aus aller Zeit gefallenen Einzelgänger mit der „Moon Machine“. Und diese Maschine kommt im November auch nach Frankfurt gerollt.
VON MICHAEL LAAGES
Gemeinhin – und nicht nur in der Kirche – gilt die Orgel unter Musikerinnen und Musikern als die „Königin“ der Instrumente: weil mit ihr in vortechnologischen Zeiten dank ausgefeilter Mechanik und ganz viel hin und her bewegter Luft klanglich alles spielbar war und hörbar wurde, was Menschen-Fantasie sich damals vorstellen konnte. Als dann später, in moderneren Epochen, ungezählte räudige Schwestern dieser Königin landauf landab die Rummelplätze oder gar (mit einem Leierkastenmann an der Kurbel) die Straßen, Marktplätze und Hinterhöfe bedudelten, mag das der fundamentalistischen Orgel-Gemeinde als Zeichen des Verfalls gegolten haben. Aber das war immer noch besser, als eine Orgel in all ihre Pfeifen zerfallen zu sehen.
Jetzt bilden die hölzernen und metallenen Reste einer zerfallenen „Königin“ das skelettierte Material für eine klingende Ausstellung samt einiger Konzerte, die überaus gut passen zu einem Musiker, der sich zwar nie als „König“ empfunden haben wird, aber sozusagen zum „Unikum des Jahrhunderts“ wurde: Moondog, der blinde Magier. Geboren wurde Thomas Hardin 1916 in Marysville / Kansas, gestorben ist er 1999 in Münster, wo Mynther, Schubert und Euler ihre bespielte Installation auch erstmals in der Kunsthalle zeigten. Mittendrin im atmenden Gewimmel und Gewirr der überall im Raum hängenden Orgelpfeifen steht die Maschine, die auf trickreiche Weise Moondogs Leben vergegenwärtigt: ein bunter Bollerwagen für den bärtigen Guru.
So hat ihn der 2015 verstorbene Ernst Fuchs porträtiert mit dem Grabmal auf dem Zentralfriedhof in Münster – dort hatte Moondog, der 1974 nach der Einladung zu zwei Konzerten beim Hessischen Rundfunk nicht in die USA zurückgekehrt war, die letzten Lebensjahre verbracht. Legendär war er auch schon daheim in den USA gewesen; seit 1943 zog Moondog mit wallendem Rauschebart und gehörntem Helm, Speer und langem Umhang durch New York – als „Viking of the 6th Avenue“. Warum das alles? „Ich hatte begonnen, in der Edda zu lesen“, hat er seinen Biografen erzählt. „Ich war auf der Suche nach meiner Identität, und in den Sagen fand ich sie.“
In New York hat Moondog den Dirigenten der Philharmoniker genauso kennen gelernt wie Charlie Parker – und die eigene Vorstellung von Musik aus dem Kopf direkt in Blindenschrift übertragen. Über die Zeiten hinweg hat nicht nur der Maler und Bildhauer Fuchs, einer der Wiener Meister des Phantastischen Realismus, in diesem Sonderling und Einzelgänger wohl einen Verwandten im Geiste gesehen; es steht zu vermuten, dass das dem Musiker Thies Mynther und dem Theatermacher Veit Sprenger ähnlich gegangen ist.
Mit der „Moon Machine“, einem Gefährt, dessen Basis vielleicht der Grundaufbau eines Gabelstaplers ist, sind sie zu Moondogs Todestag durch die Innenstadt von Münster karriolt; und wo immer immer sie angehalten haben, legte prompt die Maschine los: sang und klang, ließ kuriose Aufbauten wie Sonnenschirme, Abstandswarner samt kuriosem Geklingel und Geklöppel ertönen, ließ Pauken und Trompeten von der Leine. Mittendrin agierten Mynther und Sprenger selber, ausstaffiert als wunderliche Schrate in langen schwarzen Mönchskutten: Wikinger wie Moondog eben, nur nicht auf der 6th Avenue, sondern in der Fußgängerzone von Münster.
Wie ein Wanderprediger hatte Moondog an Straßenecken, auf Brücken und Plätzen über Jahre hin den Lebensunterhalt verdient: als „Hit and Run“- Stratege. So beschreibt auch Sprenger jetzt das Prinzip der Maschine, die Mynther und er erfunden haben: „Hinstellen, Musik machen, abhauen – so kamen wir auf die Konstruktion der Moon Machine; und Moondog war aus zwei Gründen ein guter Anker dabei. Zum einen hat er selbst als Straßenmusiker angefangen und nach ähnlichen Prinzipien gearbeitet, zum anderen war auch er ein Künstler, für den Musik, Text, Objekt, Aktion und Leben untrennbar miteinander verbunden waren. Das ist ein performativer Ansatz, der mich interessiert.“ Thies Mynther ergänzt: „Mich fasziniert sein idiosynkratisches Verständnis von Kontrapunkt, Rhythmik und Textpoetik, das sich vielleicht auch aus der merkwürdigen Spannung seiner Lebenspraxis gefüttert hat. Er musste ja Jahrzehnte, bevor er als Komponist wirklich wahrgenommen wurde, mit dieser durchaus eigenartigen Kunst die Passanten auf der Straße soweit interessieren, dass sie ihm mit ihren Pennies seinen Lebensunterhalt finanzierten.“
Den dafür nötigen musikalischen Prinzipien aber blieb Moondog überraschenderweise treu; was (so noch einmal Thies Mynther) die Frage aufwirft: „Wie entsteht Relevanz? Durch Brillanz oder Hartnäckigkeit? Wie wird jemand vom Kuriosum zum Faszinosum und schließlich zum Impulsgeber oder Impulsgeberin? Ich denke, diese Wahrnehmungsverschiebungen haben immer auf der Basis der Weitergabe von Spezialwissen gefußt – im Sinne eines ‚Guck mal, was ich hier entdeckt habe‘.“
Auf fast allen musikalischen Genre- Feldern ist Moondog auf diese Weise zum Ereignis geworden, magisch-rätselhaft umwabert von der einzigartigen Lebensgeschichte, die ja immer mitschwang, auch wenn er etwa beim New Jazz Festival in Moers auftrat. Was er ausstrahlte, musikalisch und als Künstler, hatte immer mehrere Gesichter: forcierte klangliche Vielfalt in struktureller Einfachheit auf trickreichen metrischen Mustern. Wer wollte, mochte das „minimal music“ nennen – aber immer war da mehr im Spiel. Vielleicht war Moondog ja der letzte Schamane seiner Zeit.
Im Überraschungs- und Entdecker- Modus hätten auch sie den „American in Oer-Erckenschwick“ kennen gelernt, bekennen Sprenger und Mynther. Mitte der 1970er Jahre hatte die Familie der damaligen Studentin Ilona Goebel Moondog in der kleinen Stadt am nördlichen Ruhrpott-Rand ein Domizil auf Dauer geboten, nachdem der blinde Musiker die ersten Jahre des Exils in Hamburg, Hannover und Recklinghausen verbracht hatte. Tobias Euler, der um die eigentliche „Moon Machine“ herum jetzt die Materialien der Installation entworfen hat, spricht derweil über „die Wechselwirkung von der Maschine und den vielen Objekten im Raum mit der Musik – sie steht für das, was mich an der Verbindung von Musik, Theater und bildender Kunst fasziniert: der mehrdimensionale dynamische Prozess, in dem aus dem Moment der Interaktion neue Ausdrucksräume wachsen.“
Klingt theoretisch, zeigt aber ganz praktische Wirkung – denn wer um die Maschine selbst herum oder an und unter den ungezählten klingenden Objekten im Raum entlang wandert und dabei mitten im Klang die Position oder auch nur Hör-Richtung wechselt, wird prompt erfasst vom Sog, der „made by Moondog“ ist.