16 BIT

Paula Rosolen

(c) Jörg Baumann
(c) Jörg Baumann
(c) Jörg Baumann
(c) Jörg Baumann
(c) Jörg Baumann

16 BIT

Paula Rosolen

Mit unzählbaren Beats treibt Techno den Puls globaler Club- und Protestkulturen in die Höhe und wird in der neuen Choreografie von Paula Rosolen zum hypnotischen Motor einer großen Choreografie. Gemeinsam mit sechs Tänzer:innen taucht Rosolen in die Entwicklung dieser einmaligen Musik zwischen Kunst und sozialem Phänomen ab. Hervorgegangen aus einem jahrzehntelangen transatlantischen Kulturaustausch hat Techno marginalisierten Gemeinschaften eine Stimme und eine Ausdrucksform gegeben, wissenschaftliche Experimente angestoßen und durch technologische und kulturelle Revolutionen die Avantgarde beeinflusst. Techno stand als afro-futuristischer Ausdruck für die Schwarze Gemeinschaft in Detroit und für Befreiung und Wiedervereinigung, als die Berliner Mauer fiel. Rosolens Stück folgt den verschiedenen Daseinsformen des Techno, von der unbestimmten DIY-Landschaft der elektronischen Musik der 1980er Jahre bis hin zum weltweit anerkannten Genre der frühen 90er Jahre. Voller Energie und hypnotischer Kraft gibt sich die Performance dem Sog des Techno hin, der die Welt auch jenseits der Tanzfläche verändert hat.

Infos

Uraufführung
Dauer: 60 Minuten
Keine Sprachkenntnisse erforderlich.
Mousonturm-Koproduktion im Rahmen der Tanzplattform Rhein-Main.

Bitte beachten: Es kommt zum Einsatz von Stroboskoplicht.

Beteiligte und Förderer

Idee, Choreografie, Künstlerische Leitung: Paula Rosolen
Konzept: Paula Rosolen, J.M. Fiebelkorn
Von und mit: Capucine Schattleitner, Daniel Conant, Felipe Faria, Kyle Patrick, Steph Quinci, Steven Fast
Musik, Komposition: Nicolas Fehr
Licht: Tanja Rühl
Kostüm: Anika Alischewski, J.M. Fiebelkorn
Produktionsleitung: Dominga Ortúzar Bullemore
Choreografische Assistenz: Christopher Matthews
Recherche: Oli Warwick
Grafikdesign & Visuals: Yuka Sano, J.M. Fiebelkorn

Eine Produktion von Paula Rosolen/Haptic Hide in Koproduktion mit Künstlerhaus Mousonturm im Rahmen der Tanzplattform Rhein-Main und CCN-Ballet National de Marseille als Teil des accueil studio/Französisches Kulturministerium. Gefördert durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt München und das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Mit freundlicher Unterstützung von Tanzbüro München, Tanztendenz München e.V. und schwere reiter tanz.
Haptic Hide erhält die mehrjährige Förderung des Kulturamtes der Stadt Frankfurt am Main und wird unterstützt von DIEHL+RITTER/TANZPAKT RECONNECT, gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen der Initiative NEUSTART KULTUR.

Interview mit Paula Rosolen

„Die Wiedervereinigung fand auf dem Dancefloor statt bevor sie in der Politik sichtbar wurde“

 

Die Choreografin Paula Rosolen hat ein zeitgenössisches Tanzstück inszeniert, das sich mit der Kulturgeschichte und der gesellschaftlichen Bedeutung des Techno befasst.

 

Frau Rosolen, Ihr neues Tanzstück heißt 16 BIT. Weshalb?

16 BIT kennt man als Name der in den späten 1980er-Jahren aufkommenden und damals revolutionären Computer-Technologie, die auch eine Demokratisierung der elektronischen Musik ermöglichte. Der „Comodore Amiga“ erfüllte damals nicht nur den Traum des hauseigenen PCs, sondern vielen Künstlern eine neue Annäherung an die Musik und daraus resultierend viele Rave-Hymnen. 16 BIT war außerdem ein Projekt des Musikproduzenten-Duos Luca Anzilotti und Michael Münzig, beide DJs im legendären Frankfurter Club Dorian Gray. 1986 nahmen sie gemeinsam mit Sven Väth die Single "Where Are You?" auf. Anfang 2020, kurz bevor die Corona-Pandemie das gesamte kulturelle Leben zum Stillstand brachte, habe ich das Video zu dem Song wiederentdeckt und war sofort gefesselt.

 

Woher rührt Ihre Begeisterung für "Where Are You?" und generell für Techno?

Für mich nimmt "Where Are You?" in der Geschichte des Techno eine wichtige Rolle ein. Der Song, seine Spontanität und Expressivität, legte praktisch einen der Grundsteine für die weitere Entwicklung der elektronischen Musik – auch über Frankfurt und Deutschland hinaus. Es war wirklich der Beginn etwas vollkommen Neues. Es ist besonders Sven Väths einzigartiger Tanz in dem Video zu “Where are you?“, der mich fasziniert und der mich über die Bedeutung dessen nachdenken lässt, was wir meist als selbstverständlich wahrnehmen – Ausdruck, Teilhabe, Freiheit. Als während der Pandemie sämtliche Clubs, Museen und Theater geschlossen blieben, haben wir wohl alle schmerzlichst das Fehlen dieser für uns und für unsere Demokratie so wichtigen Komponenten gespürt. Techno wird oft unterstellt, unpolitisch gewesen zu sein. Das sehe ich anders. Gerade in Deutschland, aber auch weltweit, hat Techno eine gesellschaftliche Bedeutung.

 

Inwiefern?

Auf Deutschland bezogen war Techno – um den ostdeutschen DJ Paul Van Dyk zu zitieren – der ‚soziale Klebstoff‘, der dazu beitrug, die Beziehungen zwischen Ost- und Westdeutschland nach dem Zusammenbruch der DDR wiederherzustellen. Die Wiedervereinigung fand auf dem Dancefloor statt bevor sie in der Politik sichtbar wurde. Diese Bedeutung ist jedoch nicht bloß Deutschland beschränkt, Techno ist ein transnationales Phänomen und das Ergebnis eines kulturellen Austauschs. In Detroit, einem der prägenden Orte für die Szene, war Techno ein neues Ausdrucksmittel in einer postindustriellen Stadt, die unter wirtschaftlicher Not und den damit einhergehenden sozialen Problemen litt. Techno versprach eine freie Entfaltung, unabhängig von Hautfarbe oder Herkunft und ohne die Angst vor Repressalien oder Ablehnung. Mit meiner Arbeit möchte ich einen Raum schaffen, in dem wirklich alle Menschen willkommen und sicher sind. In einer Demokratie muss Kunst das ermöglichen können.

 

Über die Bedeutung der Kunst für die Demokratie wurde während der vergangenen Monate besonders intensiv diskutiert. Wie ist Ihre Haltung dazu?

Demokratie ist weit mehr als die Teilnahme an Wahlen, in erster Linie ist Demokratie Dialog. Eine demokratische Gesellschaft lebt vom Austausch verschiedener Meinungen und Perspektiven – die Kunst kann das transportieren. Die Beteiligung an der Kunst erfordert die kollektive Teilhabe. Die Kunst wirft Ideen auf, welche die Gesellschaft als Ganzes widerspiegeln und dem Einzelnen eine Handreichung sein können, sich selbst zu definieren. Kunst ist etwas zutiefst Persönliches, Intimes und gleichzeitig eine Heimat des Kollektivs. Nicht umsonst ist die Kunstfreiheit ein in unserer Verfassung verankertes Grundrecht.

 

Nun muss sich die Kunst aber auch oft den Vorwurf machen lassen, zu elitär und eben nicht für die gesamte Gesellschaft zugänglich zu sein.

Das stimmt, insbesondere die darstellende Kunst ist mit dem Stigma des Privilegs und der Exklusivität behaftet. Genau das versuche ich in meiner Arbeit zu durchbrechen. Meine Choreografien haben immer viele tiefergehende Ebenen, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten lassen. Das auf den ersten Blick vermeintlich Offensichtliche kann sich dem, der sich darauf einlassen möchte, plötzlich als etwas ganz anderes zeigen. Gleichzeitig geht es mir darum, ein Publikum ohne bestimmte Vorkenntnisse anzusprechen und mögliche Hemmschwellen zu überwinden. Ich möchte den Zuschauenden Tanz durch Themen und Fragen näherbringen, die ihnen vertraut sind und mit denen sie sich identifizieren können. Auch deshalb fasziniert mich Techno: Wohl jeder von uns hat eine besondere Assoziation oder persönliche Erfahrung mit dieser Musik. Dieses kollektive Verstehen und Empfinden, ist für mich eine wichtige Facette von Kunst und Demokratie.