„Als ich Familienfotos anschaute, war ich überrascht, dass es im Gegensatz zu meinem Bruder kaum Bilder von meinen Eltern und mir gab. Lag das daran, dass ich ein Mädchen und damit unbedeutend war?“ In ihrem Solo-Stück „I am 60” spürt die Pionierin des unabhängigen chinesischen Tanztheaters Wen Hui anhand von Bildern und Filmmaterial ihrer eigenen Geschichte und der ihrer weiblichen Familienangehörigen nach, ihren Verletzungen, Prägungen und Stärken. Wen Hui erzählt von persönlichen und gesellschaftlichen Diskriminierungen, aber auch von Bewegungen weiblicher Emanzipation, so zum Beispiel im Goldenen Zeitalter des chinesischen Kinos in den 1930er-Jahren, als weibliche Figuren nicht nur ein schönes Dekor, sondern Kämpferinnen in eigener Sache waren. In „I am 60” treffen historische Filmausschnitte auf private Dokumente, statistische Fakten und Interviews auf persönliche Erinnerungen. Dazwischen bewegt sich Wen Hui leicht, tänzerisch, fast wie ein Halm im Wind. Sie führt Gegenwart und Vergangenheit zusammen und gibt den körperlichen Erfahrungen von Frauen verschiedener Generationen einen Raum.
Infos
Dauer: 60 Min
In chinesischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Wiederaufnahme
Beteiligte und Förderer
Choreografie, Tanz: Wen Hui
Dramaturgie: Zhang Zhen
Musik: Wen Luyuan
Video: Rémi Crépeau, Zhou Xueping
Licht, Bühnentechnik: Romain de Lagarde
Leitung Bühnentechnik: Francisco Linares
Administration, Booking: Damien Valette
Koordination: Louise Bailly
Eine Produktion von Théâtre de la Ville, Living Dance Studio und Damien Valette Prod, in Koproduktion mit Théâtre de la Ville / Festival d’automne Paris. Unterstützt durch ein Residenzstipendium am Théâtre de la Ville – Les Abbesses. Dank an das technische Team des Théâtre des Abbesses. Preisträgerin des Residenzprogramms des französischen Instituts am Cité Internationale des Arts Paris, mit Unterstützung von Micadanses Paris. Gefördert von Tanzstudio am CND Centre National de la Danse Paris, unterstützt vom Französischen Institut in China. Realisierung in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut in Beijing.
Gefördert im Rahmen des Bündnisses internationaler Produktionshäuser von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Drei Fragen an Wen Hui
Welche Bedeutung hat die Form des Körpers in deiner choreografischen Arbeit?
Beim Tanzen funktioniert das Gedächtnis ähnlich wie das Zytoskelett im Körper: Es bildet ein inneres Netzwerk. Die Erinnerungen eines Menschen machen seinen Körper einzigartig.
Wir leben in unvorhersehbaren Zeiten. Welchen Beitrag kann der Tanz leisten, um die Zukunft neu zu gestalten?
Die Möglichkeiten des Tanzes sind begrenzt, und doch kann er viel erreichen. Auch wenn Kunst nicht in der Lage ist, unsere Gesellschaft zu verändern, so kann sie uns inspirieren, es zu versuchen. Die heutigen Krisen fordern uns dazu auf, unser bisheriges Verhalten zu überdenken. Tanz kann Momente des multiperspektivischen Denkens erschaffen.
Wenn du etwas umgestalten könntest, was wäre das?
Das Selbstvertrauen von Frauen in der Gesellschaft und in der Öffentlichkeit.