Fri. 14.03.2014

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

eben ist die Tanzplattform Deutschland 2014 auf Kampnagel in Hamburg erfolgreich zu Ende gegangen, die 12 bemerkenswerte deutsche Tanzproduktionen der vergangenen zwei Jahre einem Publikum vorstellte, zu dem auch 500 aus der ganzen Welt angereist Fachleute zählten – Festivalmacher und Theaterleiter, Kulturvermittler, Wissenschaftler und anderweitig dem Tanz Verschriebene. Dass aus Frankfurt nicht nur die Forsythe Company mit Sider als Eröff-nungsvorstellung eingeladen war, sondern auch die vier Newcomerinnen von Swoosh Lieu mit ihrer letztes Jahr für die Naxoshalle entworfenen installativen Performance The Factory – eine Besetzungsprobe, hat uns besonders gefreut. Deshalb bringen wir nicht nur im April mit Stages of Work – ein offener Umbau (s.u.) eine neue Produktion von Swoosh Lieu im Mousonturm zur Uraufführung und zeigen im Mai die ebenfalls Tanzplattform-geadelte Re-naissancetanz-Choreografie Danserye von Sebastian Matthias (bitte den 9. bis 11. Mai vor-merken!), sondern holen im Februar/März 2016 auch gleich die ganze nächste Ausgabe der Tanzplattform Deutschland nach Frankfurt. Sie wird damit zum zweiten Mal – nach 1996 – vom Mousonturm ausgerichtet, soll um eine regionale Rhein-Main-Komponente erweitert und in Zusammenarbeit mit vielen Partnern in Stadt und Region durchgeführt werden.

Zunächst aber richtet sich unser Hauptaugenmerk auf April: Kaum hat sich der Rauch der spektakulären 100-Jahr-Feierlichkeiten zu Igor Strawinskis Le Sacre du Printemps verzogen, stochern She She Pop in der Glut. Nach dem großen Erfolg ihrer tatsächlich in aller Welt ge-feierten Inszenierung Testament mit den eigenen Vätern zeigen die Performerinnen jetzt FRÜHLINGSOPFER aufgeführt von She She Pop und ihren Müttern (Sa. 26.4., 20.00 Uhr und So. 27.4., 18.00 Uhr, MT-Koproduktion) bei uns in Frankfurt, kurz nach der Uraufführung am HAU Berlin. Das weibliche Rollenverständnis und die Opferbereitschaft in Familie und Gesellschaft stehen darin im Mittelpunkt: She She Pop überblenden die religiöse Sphäre, in der das rituelle Menschenopfer aus Le Sacre du Printemps angesiedelt ist, mit der ethischen Frage des persönlichen Verzichts in Beziehungen zwischen Frauen und Männern sowie zwischen Müttern und Töchtern. Sich als Frau für andere aufzuopfern, ist in unserer Kultur ein Programmpunkt innerhalb eines heute peinlich veralteten Normenkatalogs. Die überragende Bedeutung von Selbstermächtigung und persönlicher Freiheit hat Verzicht und Hingabe in ein obskures Licht gerückt.

Unter dem Motto „Selbstverlust statt Selbstkontrolle!“ bereitet das Frankfurter Künstlerkollektiv WU WEI REKORT LOEW seine Trilogie WELTEN WENDEN MENSCHEN Teil I-III (Mi. 9.4., Do. 10.4., Di. 15.4., Mi. 16.4., 19.00 Uhr, MT-Koproduktion) als Destillat neu auf. Im Fokus der Inszenierung von Sabine Loew stehen Reflexionen von politischer Kontrolle. Der erste Teil des Abends stützt sich auf Recherchen am Grenzübergang zwischen Jerusalem und Ramallah. Für die Suche unserer Gesellschaft nach einem neuen Arbeitsbegriff dient im zweiten Teil die aktive Selbstkontrolle des Kreativ-Unternehmers als bitter-burleskes Beispiel. Die Trilogie endet mit Katastrophenszenarien, Weltuntergängen und anderen medialen Erregungskam-pagnen und stellt sie als umfassende Steuerungssysteme unserer Zukunft bloß.
Mit drei eigenen Uraufführungen steht der Mousonturm im April außerdem ganz im Zeichen umfangreichen Recherchierens, konzentrierten Produzierens und erstklassiger Kollaboratio-nen: Den Reigen eröffnet Nevski Prospekt mit Parade (Uraufführung Fr. 4.4., Sa. 5.4., 20.00 Uhr; So. 6.4., 12.00 und 20.00 Uhr), eine Eigenproduktion des Tanzlabor_21 mit herausra-gendem musikalischen Aufgebot, für das die hr-Bigband, das hr-Sinfonieorchester und der Schweizer Komponist Marcel Platti stehen. Eng verwoben mit dessen für das Projekt geschaf-fener Musik inszenieren die beiden Choreografen Ives Thuwis-De Leeuw und Philipp van der Heijden gemeinsam mit Frankfurter Jugendlichen und jungen Erwachsenen einen ebenso großen wie fragilen Bewegungs- und Bilderstrom.

Nach vierjähriger Zusammenarbeit mit der amerikanischen Tänzerin und Choreografin Anna Halprin veröffentlicht Contredanse eine sechsstündige, interaktive DVD-ROM Anna Halprin — The Life/Art Workshop, die der Öffentlichkeit im Frankfurt LAB vor der Aufführung von Parade zum ersten Mal vorgestellt wird und Einblicke in die Forschung der amerikanischen Tänzerin gibt (Sa. 5.4., um 18.00 Uhr).

Dem unkontrolliert sprudelnden Sprachfluss widmet sich die Frankfurter Regisseurin Susanne Zaun mit ihrer Regie-Partnerin Marion Schneider. Die beiden haben belauscht und gnadenlos dokumentiert worüber geredet wird, wenn frau wartet und eigentlich nichts passiert: über Zukunftspläne in der Warteschlange beim Casting für Germanys Next Topmodel, über alle restlichen Sorgen kurz vor dem Aufguss in der Damensauna oder Belangloses in den Minuten bevor die Torte serviert wird. All dies Gerede überführen sie in ihrer Performance Mit den Beinen im Bauch. Eine Nabelschau (Uraufführung Fr. 11.4., Sa. 12.4., 20.00 Uhr; So. 13.4., 18.00 Uhr, MT-Koproduktion) in ein tiefkomisches Sprechspektakel für einen Frauchenchor mit mindestens sieben Bauchnäbeln.

Neugierig ist auch das junge Kollektiv Swoosh Lieu (Johanna Castell, Katharina Kellermann, Juliane Kremberg, Rosa Wernecke). Es hat sich für Stages of work — ein offener Umbau (Uraufführung Di. 22.4., Mi. 23.4., 20.00 Uhr, MT-Koproduktion) hinter den Kulissen eingenis-tet, verwandelt den Backstage-Bereich des Mousonturms in einen Showroom und holt die Technikerinnen und Techniker samt ihrer Tätigkeiten, Gerätschaften und Kenntnisse in eben jenes Rampenlicht, das sie selber für gewöhnlich werfen, installieren und bedienen. So schraubt Swoosh Lieu an der Wahrnehmungsroutine, erprobt neue Betriebsabläufe und de-montiert die Paradigmen von technischer Arbeit und künstlerischer Produktion.

Julia Blawerts Performance Cogo Ahoí (Uraufführung Do. 3.4., 19.00 Uhr, MT-Koproduktion), nimmt eine siebenmonatige 3000 Flusskilometer lange Reise schon einmal visionär vorweg, eine Reise, die selbst das Ziel ist, eine Performance über das Reisen während des Reisens, die sie vom Frankfurter Osthafen mainauf- und donauabwärts bis ans Schwarze Meer führt. Mit dem Mousonturm als Heimathafen bleiben Julia Blawert und ihr Boot Cogo aber die sieben Monate über in Kontakt. Cogo Ahoí beschließt Julia Blawerts Studium der Angewandten Theaterwissenschaft in Gießen.

Mit Christoph Mayrs Dokumentarfilm Bulb Fiction (AT 2011 / 104 Min) und anschließendem Filmgespräch ist während der Luminale 2014 das naxos.kino zu Gast im Mousonturm (Mi. 2.4., 19.30 Uhr): Bulb Fiction stellt die Frage, ob unsere Lebensqualität reinem Umweltgewissen geopfert werden sollte und nimmt die Politik, die Industrie und ihre Lobbyisten, deren Ränkespiele um Macht und Machenschaften, Profit, Scheinheiligkeit und bewusste Fehlinfor-mation ins Visier.

 

Konzert & Show

Selbstironisch konfrontiert der als deutscher Jude in Papenburg geborene Oliver Polak sein Publikum mit Zuspitzungen – gern auch über das Verhältnis von nichtjüdischen und jüdischen Deutschen – die nur schwer zu ertragen wären, würde er seine gallige Gesellschaftskritik nicht so offen und charmant präsentieren. Auf seiner „Krankes Schwein“-Tour 2014 gastiert er am Di. 1.4., 20.00 Uhr im Mousonturm.

Mit ihrem fünften Album The Classic ist die charmante, talentierte Joan Wasser aka Joan as Police Woman  (Do. 3.4., 21.00 Uhr) einst Geigerin bei der Kultband Antony & The Johnsons, ganz bei sich angekommen und bringt das, was sie musikalisch liebt, zusammen: den Soul Al Greens, Nina Simones und Isaac Hayes mit dem Post-Punk und New Wave von The Smiths und Siouxie Sioux.

Provokativ, unüberhör- und unübersehbar prägt das slowenische Künstler-Kollektiv Laibach seit 35 Jahren den Ort, an dem sich die internationale Kunst- und Musikszene überschneiden. Angelehnt an die finnische Weltraumnazi-Groteske „Iron Sky“, zu der sie jüngst den Sound-track schrieben, gastieren Laibach auf ihrer „We come in peace“-Tour mit neuarrangierten Klassikern und neuem Material auch im Mousonturm (Fr. 4.4., 21.00 Uhr).

Mal Neil Young, mal die Sissi-Filme. Dann Presserummel, Tourneen, Paparazzi, mit Anna Leena Lutz eine neue Schlagzeugerin und jetzt Album Nr. 2: Mit Monterey das Gute bewah-rend, das Neue und Erweiternde umarmend ist Die Heiterkeit (So. 27.4., 21.00 Uhr) unter-wegs, lässig, mit einer gesunden Portion Selbstironie und rundum erneuertem Sound.

Mit ihrem Debütalbum Dogs in Spirit avancierte Anna Aaron (Di. 29.4., 21.00 Uhr) zum inter-nationalen Kritiker-Liebling, mit NEURO erwarten viele den endgültigen Durchbruch dieser intensiven, abgründig obsessiven Stimme, die zwischen dunkler Melancholie und expressiver Wut oszilliert.

Nach dem wahnsinnigen Erfolg im letzten Jahr feiern wir am Ende des Monats ein Comeback unserer Rollschuh-Disco und Roll in den Mai-Party (Mi. 30.4., 21.00 Uhr) – diesmal mit der Psychedelic-Soul-Band King Khan & The Shrines, die spätestens seit gemeinsamen Auftrit-ten mit Lou Reed und Laurie Anderson Kultstatus hat. Dazu gibt‘s Retro-Beats von Mr. Diet-ermann, Maibowle und einen Rollschuh-Verleih!

 

Ausblick

Wir würden uns besonders freuen, wenn Sie sich schon jetzt einige wichtige weitere Termine im Mousonturm notierten: etwa die Aufführungen des neuen Stücks Timeloss des herausra-genden iranischen Gegenwartsautors und Regisseurs Amir Reza Koohestani (3./4.5.),das wir als Erstaufführung im deutschsprachigen Raum zeigen, Partita #2 von und mit Anne
Teresa De Keersmaeker und Boris Charmatz (16./17.5.), unsere exklusiven MT-Busex-kursionen zum Festival Theater der Welt in Mannheim (24.5., 28.5., 31.5. und 4.6.), unser prall gefülltes Festival für neue Choreografie (5. – 15.6.), Alain Platels Tauberbach (17./18.6.), unsere Kooperation mit dem Wiesbadener Festival Neue Stücke aus Europa (19. – 29.6.), in dessen Rahmen wir u.a. einen Ungarn-Schwerpunkt mit Our Secrets von Béla Pintér (20./21.6.) und dem von uns koproduzierten neuen Stück Dementia des außerge-wöhnlichen Film- und Theaterregisseurs Kornél Mundruczó (24./25.6.) beherbergen.

 

Programm April 2014 – Terminübersicht

Oliver Polak (DE)
„Krankes Schwein“-Tour 2014
Di. 1.4., 20.00 Uhr
Support: Costa Meronianakis (DE)
SHOW * Saal bestuhlt

Luminale 2014 – naxos.kino zu Gast im Mousonturm
Christoph Mayr (AT 2011 / 104 Min.)
Bulb Fiction
Mi 2.4., 19.30 Uhr
Dokumentarfilm / Anschließend Filmgespräch mit Kurt Splittdorf (Baubiologe) u.a.
* Saal bestuhlt, € 7,- / erm. € 4,- ; Karten nur an der Abendkasse ab 19 Uhr.
Reservierungen über kaufmann.herrnhaag@t-online.de

Julia Blawert (DE)
Cogo Ahoí
Do. 3.4., 19.00 Uhr
PERFORMANCE / HTA
Mousonturm-Koproduktion
Uraufführung
* Studio 1 & Osthafen

Joan as Police Woman (US)
Support: HELMUT (De)
Do. 3.4., 21.00 Uhr
KONZERT
* Saal unbestuhlt

Nevski Prospekt  (BE) / Tanzlabor_21 / hr-Bigband / hr-Sinfonieorchester
Parade
Fr. 4.4., Sa. 5.4., 20.00 Uhr
So. 6.4., 12.00 und 20.00 Uhr
CHOREOGRAFIE / TANZ
Uraufführung
* Frankfurt LAB, Schmidtstraße 12


Sa. 5.4., 18.00 Uhr
Anna Halprin – The Life/Art Workshop
DVD-ROM – PRÄSENTATION
Mit Florence Corin und Baptiste Andrien
In Englisch
* Frankfurt LAB, Schmidtstraße 12, Eintritt frei
Laibach (SI)
Fr. 4.4., 21.00 Uhr
KONZERT * Saal unbestuhlt
WU WEI REKORT LOEW  (DE)
WELTEN WENDEN MENSCHEN Teil I – III
Mi. 9.4., Do. 10.4., Di. 15.4., Mi. 16.4., 19.00 Uhr
THEATER / PERFORMANCE / 25YMT
Mousonturm-Koproduktion * Studio 1 & 2

Susanne Zaun (DE)  & Marion Schneider (DE)
Mit den Beinen im Bauch. Eine Nabelschau
Fr.  11.4., Sa 12.4., 20.00 Uhr; So. 13.4., 18.00 Uhr
THEATER / PERFORMANCE / 25YMT
Uraufführung
Mousonturm-Koproduktion * Saal

Theatertour Stalburgtheater — Theater Willy Praml — Künstlerhaus Mousonturm
Sa. 12.4., 14.00 Uhr * Treffpunkt: Stalburgtheater, Glauburgstraße 80, € 9,80 / erm. € 6,80 Teilnehmer der Theatertour erhalten ermäßigten Eintritt für die Vorstellung von Susanne Zaun und Marion Schneider am Sa. 12.4., 20.00 Uhr. Vorverkauf und Information: www.theaterallianz.de

Swoosh Lieu (DE)
Stages of work – ein offener Umbau
Di. 22.4., Mi. 23.4., 20.00 Uhr
PERFORMANCE / 25YMT
Uraufführung
Mousonturm-Koproduktion * Saal

She She Pop (DE)
FRÜHLINGSOPFER aufgeführt von She She Pop und ihren Müttern
Sa. 26.4., 20.00 Uhr, So 27.4., 18.00 Uhr
THEATER / PERFORMANCE / 25YMT
Mousonturm-Koproduktion * Saal

Die Heiterkeit (DE)
So. 27.4., 21.00 Uhr
KONZERT * Studio 1 unbestuhlt

Anna Aaron (CH)
Di. 29.4., 21.00 Uhr
KONZERT * Studio 1 unbestuhlt

Roll in den Mai
Mit King Khan & The Shrines (CA), Mr. Dietermann (DE)
Mi. 30.4., 21.00 Uhr
KONZERT / PARTY / ROLLSCHUH-DISCO & -VERLEIH * Saal