Tue. 15.10.2013

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

2013 war das zehnte Jahr, in dem die Hamburger Körber-Stiftung ihren mittlerweile wichtigsten und heiß umkämpften Nachwuchspreis für junge Regie verlieh. Wir nehmen es als ein Zeichen, wenn 2013 erstmals die Inszenierung eines Kollektivs der Angewandten Theaterwissenschaft in Gießen, Arnita Jaunsubrena, Lea Schneidermann und Kim Williams mit dem sprechenden Titel Der souveräne Mensch (Frankfurt-Premiere Fr. 8.11., Sa. 9.11.,) mit allen verfügbaren Jury- und Zuschauerpreisen ausgezeichnet wurde. Wer wünschte sich nicht ein solides Selbstbewusstsein, Kongruenz im Handeln, Redegewandtheit und Macht? In der Theaterperformance ist es ein Motivationscoach, der dem Publikum diese begehrenswerten Attribute und ihre Konstruierbarkeit auf (selbstverständlich) gewandte, unterhaltsame Weise präsentiert. Mit einfachsten Mitteln demaskiert die Inszenierung den Habitus der Macht und führt vor, wie leicht es ist, auch ein Publikum zu manipulieren.

Die Souveränität und insbesondere die Fragen, wer sie innehat und wer wie souverän mit ihr umzugehen weiß, stiften auch den thematischen Leitfaden in unserem Novemberprogramm:

Mit ihrer jüngsten Arbeit All Ears (Sa. 2.11., So. 3.11.) startet die Performerin Kate McIntosh einen neuen Angriff auf die Grundfesten des Mousonturms: Ausgangspunkt ist ihre Faszination für die Extreme von Konstruktion und Zerstörung, Inhalt und Nonsens, mit der sie souverän und virtuos auf dem schmalen Grad zwischen Experiment und Unterhaltung balanciert. Die Bühne wird für eine Reihe ungewöhnlicher Ermittlungen, Verrückungen und Beschallungen rund um alltägliche Situationen und Materialien zu einem Ad hoc-Laboratorium, in dem McIntosh mal als neugierige Wissenschaftlerin, mal als charmante Conférencière und Geschichtenerzählerin, einen Abend vielförmiger Audio-Landschaften und schräger Ideen moderiert.

‚Macho Dancing‘ ist auf den Philippinen eine äußerst beliebte Form des Night Club Entertainments: Junge Männer tanzen ihre heißen Shows vor zahlungswilliger Kundschaft beiderlei Geschlechts. Die zeitgenössische philippinische Tänzerin, Choreografin und Pole Dancerin Eisa Jocson hat sich für ihr Solo das Posen- und Bewegungsrepertoire der Macho Dancer (Fr. 8.11., Sa. 9.11.) angeeignet und versetzt die Gender- und Statuskategorien ihrer Zuschauer damit mächtig in Bewegung. Eine faszinierende Welt jenseits klassischer Geschlechterrollen tut sich auf, die sowohl ökonomische als auch sexuelle Tabus in Frage stellt, und den Rahmen für ein raffiniertes Spiel mit den Mehrdeutigkeiten der Situation und den Ritualen der Verführung bildet.

Der Frankfurter Komponist Hannes Seidl und der Berliner Experimentalfilmer Daniel Kötter befassen sich in einer längeren Kollaboration mit Ökonomien des Handelns. Nicht nur aus Frankfurter Perspektive drängt sich als erste Assoziation die globale Finanzkrise mitsamt den Banken und ihren Managern auf. Und so ist es der Handel mit Geld, dem Hannes Seidl und Daniel Kötter ihr Musiktheater-, Film-, und Performance Oratorium widmen. Mit dem beim steirischen herbst vor Kurzem uraufgeführten KREDIT. Von der Erwartbarkeit zukünftiger Gegenwarten (Mousonturm Fr. 15.11., Sa. 16.11.) führen sie ihr Publikum in die Vorhöfe der Geldmacht, hinter Lifttüren, in Gänge, Cafeterias und Vorzimmer. Sie haben Vertreter aus den Management-Etagen Frankfurter Banken bei ihrer verschwiegenen Arbeit, aber auch in der Freizeit und im Kreis ihrer Freunde mit der Kamera begleitet. Die Tonspur des dabei entstandenen Films wurde absichtsvoll gelöscht, um den Film allabendlich in der Aufführung live mit zwei Synchronsprechern und Noisetexturen erzeugenden Geräuschemachern unter Einsatz des Kampflieder und Choräle anstimmenden Chores der Bundesbank neu zu vertonen.

Mit irrwitziger Raffinesse erforscht das Trio infernal Phil Hayes, Maria Jerez und Thomas Kasebacher, wie banale Augenblicke zu großen Momenten werden. Wie viel Destruktivität und Zerstörung braucht es dabei? Legends & Rumours (Sa. 23.11., So. 24.11.) verhandelt diese Fragen mit diskreter Ironie, tragischer Albernheit und treffsicherem Timing. Alltäglichen Begebenheiten wird Geschichtsträchtigkeit angedichtet, aus der es in einer paradoxen, rückwärtsgewandten Kettenreaktion nur ein Entkommen geben kann: Die Performance selbst muss zur Legende werden. Legends & Rumours bringt mit Phil Hayes, freischaffender Künstler aus Zürich (Theater, Performance und Musik, u.a. Kollaborationen mit Simone Aughterlony und Forced Entertainment), mit Maria Jerez, Künstlerin und Performerin (Kino, Choreografie, Theater und visuelle Künste), und dem in Wien lebenden Thomas Kasebacher, der zuletzt mit Kate McIntoshs Dark Matter im Mousonturm zu sehen war, drei Performer zusammen, die das Zeug dazu haben.

Immer schon haben Menschen Karten hergestellt, um Ordnung in Unüberschaubares zu bringen, unbekanntes Terrain zu vermessen, es sich vertraut und zugänglich zu machen. Die Tänzerin und Choreografin Antje Velsinger nimmt in ihrem Stück You are here, das wir als Uraufführung zeigen (Do. 28.11., Fr. 29.11., Sa. 30.11.), die Kartografie zum Ausgangspunkt und macht die Bühne zum Ort der Vermessung. Der Raum wird zu einem Ort ständiger Veränderung und die Performerin und Zuschauer darin zu Teilen der hergestellten Karten und Landschaften. Orientierung und Orientierungsverlust werden in sich ständig verändernden Kartierungen ästhetisch erfahrbar und neue Perspektiven, neue Körper und Möglichkeiten der Orientierung entstehen.

Als Uraufführung zeigen wir die PET_11-Produktion (Projektensemble Tanzlabor_21) mit dem Arbeitstitel Rudel (Mi. 13.11. – Sa 16.11.) von Lisa Rykena, Philipp van der Heijden und vier Tänzern, die sich damit befassen, wie eigenes Befinden und äußere Umstände Intimität beeinflussen. Dazu haben sie verschiedene Arbeitsstrategien entwickelt, um den Begriff der Intimität zu verstehen und ihm – abhängig vom Raum – neue Gestalt und Form zu geben: Eine Bewegung wird erschlossen und umschlossen, ihre Qualität kommuniziert und erweitert. Dies geschieht in einem Geflecht gleichzeitig existierender Räume, die die Performer in den eigenen Körperraum, den Beziehungsraum zweier Menschen zueinander und den real existierenden Raum, in dem sie sich befinden, unterscheiden.

Im November startet das Tanzlabor_21 ein neues Projekt unter dem Titel Werkstatt. Das regelmäßig stattfindende Format bietet lokalen und regionalen Tanzschaffenden die Gelegenheit, kurze Tanzstücke, Work-in-Progress- oder Rechercheprojekte zu präsentieren (erstmalig am Mo. 18.11.), so einen Einblick in ihre Arbeitsweisen zu geben und sich im anschließenden Gespräch auszutauschen. Pro Werkstatt-Termin werden bis zu vier maximal 20-minütige Arbeiten in einem einfachen technischen Setting der Öffentlichkeit präsentiert. Informationen zur Bewerbung www.tanzlabor21.de

Es sind Eindrücke aus der nigerianischen Megacity Lagos, mit denen das Kasseler Flinntheater in bundesdeutsche Realitäten vordringt. Wie bei einem Echolot zeichnet sich im Widerhall dieser Konfrontationen eine absurd-realistische Zukunft ab. Für die zwei Schauspieler und einen Musiker eröffnet sich in The Power Play (Do. 21.11, Fr. 22.11.) zwischen Performance, Storytelling und Science Fiction ein rituelles Spielfeld für die Beschwörung einer Zukunft der globalen Umkehrung mit göttlichen Stromausfällen und der drahtlosen Energie des Predigens. Das Stück The Power Play ist eins von zwölf ausgewählten Produktionen, die im Rahmen von „made in Hessen 100% Theater“, dem 2. Landesweiten Theaterfestival der Freien Darstellenden Künste, gezeigt werden.

Alle Jahre wieder verwandeln sich sämtliche deutsche Innenstädte in glühweinverseuchte Bretterbudenslums. Jetzt reicht’s! Frankfurt soll die erste weihnachtsmarktfreie Stadt Deutschlands werden – fordert Oliver Maria Schmitt, Frankfurts OB der Herzen. Gemeinsam mit TITANIC lädt er zum Anti-Weihnachtsmarkt O du unselige… (Do. 28.11., Fr. 29.11., Sa. 30.11. Programmdetails der drei Abende in der Übersicht), dem großen Lesefest für Unbescherte, in den Mousonturm. Drei Tage unfröhliche, unselige Texte und unbesinnliche Musik mit Kunstschnee, kaltem Glühwein – und Antiweihnachtsmann Schmitt als Conférencier des Grauens: Lesung im Saal und Hüttenzauberparty im Foyer!

Joseph Arthurs (Mo. 4.11.,) Musik ist klassisches amerikanisches Singer-Songwriter Material mit Reminiszenzen an die großen Namen der Szene. Schon seit früher Kindheit schreibt er Songs, war mit 16 Bassist für Frankie Starr and the Chill Factor. Einzigartig werden seine Tracks durch den ungewöhnlichen Gesangsstil und durch eklektizistisch elektronische Elemente. Sein neues Album The Ballad of Boogie Christ ist zugleich Aufbruch und Rückkehr zu dem von Peter Gabriel geführten Real World Records.

Am Anfang von Enno Bungers (Mo. 11.11.,) musikalischem Projekt stand die Verarbeitung einer langjährigen gescheiterten Beziehung, es entstanden melancholische von Trauer, Verlust und Liebeskummer geprägt Songs. Maßgeblich vom Piano dominiert, treffen seine sanft-mütigen Klavierballaden aber auf einen rauen Indie-Einschlag.

Zebra Katz (18.11.,) ist Ojay Morgans Alter Ego, der mit dem Track Ima Read die kompetitive Vogueing-Kultur der 80er in New York wiederbelebte und mit Songs wie W8WTF auf interna-tionalem Parkett für Wirbel sorgt. Zebra Katz transportiert seine Message fernab von protzender Rap-Attitüde mit schneidenden Versen und minimalistischen Arrangements und verankerte dabei maßgeblich die New Yorker Queer-Rap-Szene auf der musikalischen Landkarte.

These New Puritans (Di. 19.11.) sind für exzentrische Aufnahmetechniken bekannt. Für den erwünschten Avantgarde-Sound zerdeppern die britischen Artrocker schon einmal mit Crackern beklebte Wassermelonen und schicken das mörderische Röhren einer Kettensäge durch den Äther. Gebrochen wird die brachiale Klangkulisse durch klassische Streicher, japanische Taiko-Trommeln und ein Blech- und Holzbläser-Ensemble.

Intime Fragen und Songs finden mit experimentellen Stücken eine gemeinsame Basis auf Blixa Bargelds unerwartetem Album, das er zusammen mit dem Filmmusiker Teho Teardo aufgenommen hat. Still Smile (20.11.) ist eine Wucht aus subtiler Instrumentierung mit rhythmischen Streichern des Balanescu Quartets und der Cellistin Martina Bertoni, minimalem Glockenspiel, elektronischen Akzenten und Bargelds Stimme.

Nur von einem Gitarristen begleitet gab Scott Matthew (Di. 26.11) im Dezember vergangenen Jahres im Mousonturm sein exklusives und komplett ausverkauftes Konzert ausschließlich mit Cover-Versionen. Auf Unlearned, seinem neuen Album mit Coversongs sind viele der damals vorgetragenen Stücke wiederzufinden.


Programm November 2013 -Terminübersicht

Rimini Protokoll (DE)
Situation Rooms
Fr. 1.11., Sa. 2.11., So. 3.11., 14, 16, 18, 20, 22 Uhr
Weitere Termine bei Bedarf
25YMT / MULTIPLAYER VIDEO-STÜCK / AUGMENTED REALITY
Maximal 20 Teilnehmer pro Durchlauf
Frankfurt LAB, Schmidtstraße 12

Lernen, mit den Gespenstern zu leben. Das Gespenstische als Figur, Metapher und Wahrnehmungsdispositiv in Theorie und Ästhetik Do. 31.10. – Sa. 2.11.
SYMPOSIUM
Tagestickets € 12,- / erm. € 6,-
Do. 31.10., 18.00 – 20.45 Uhr, Fr. 1.11., 10.00 – 18.30 Uhr, Sa. 10.00 – 17.45 Uhr

Kate McIntosh (BE/NZ)
All Ears
Sa. 2.11., 20.00 Uhr, So. 3.11., 18.00 Uhr
25YMT / PERFORMANCE / LAUSCHANGRIFF

Arnita Jaunsubrena (LV/DE) Lea Schneidermann (DE) / Kim Williams (DE)
Der souveräne Mensch – warum Juwelen glänzen und Kieselsteine grau sind.
Fr. 8.11., Sa. 9.11., 20.00 Uhr, Saal
PERFORMANCE / THEATER

Eisa Jocson (BE/PH)
Macho Dancer
Fr. 8.11., Sa. 9.11., 21.00 Uhr, Studio 1
TANZ / CHOREOGRAFIE / PERFORMANCE

Projektensemble PET_11 (DE)
Rudel (AT)
Mi. 13.11., Do. 14.11., 20.00 Uhr, Fr. 15.11., Sa. 16.11., 19.00 Uhr, Studio 1 TANZ / PERFORMANCE
Uraufführung

Daniel Kötter (DE) / Hannes Seidl (DE)
KREDIT. Von der Erwartbarkeit zukünftiger Gegenwarten
Fr. 15.11., Sa. 16.11., 20.00 Uhr, Saal
25YMT / MUSIKTHEATER / FILM
WARM UP – DAS AUFWÄRMTRAINING FÜR ZUSCHAUER von KREDIT

Sa. 16.11., 19.00 Uhr, Saal
Tanzlabor_21
Werkstatt
Mo. 18.11., 19.00 Uhr, Studio 1
TANZ / PERFORMANCE

Flinntheater (DE)
The Power Play
Do. 21.11., Fr. 22.11., 20.00 Uhr, Studio
THEATER / PERFORMANCE / MADE IN HESSEN

Phil Hayes (UK/CH) / Maria Jerez (ES) / Thomas Kasebacher (AT)
Legends & Rumours
Sa. 23.11., 20.00 Uhr, So. 24.11., 18.00 Uhr, Saal
PERFORMANCE / THEATER
WARM UP – DAS AUFWÄRMTRAINING FÜR ZUSCHAUER von Legends & Rumours
So. 24.11., 17.00 Uhr, Saal

Antje Velsinger (DE)
You are here
Uraufführung
Do. 28.11., Fr. 29.11., Sa. 30.11., 19.00 Uhr, Studio 1
CHOREOGRAFIE / TANZ
WARM UP – DAS AUFWÄRMTRAINING FÜR ZUSCHAUER von You are here
Fr. 29.11., Sa. 30.11., 18.00 Uhr, Studio 1

TITANIC Anti-Weihnachtsmarkt
O du unselige…
Do. 28.11., Fr. 29.11., Sa. 30.11., 20.30 Uhr, Saal bestuhlt

Do. 28.11. TITANIC-Graue Panzer: Bernd Eilert, Pit Knorr und Hans Zippert
Musikalischer Gast: Friedemann Weise

Fr. 29.11. TITANIC-TaskForce: Leo Fischer, Mark-Stefan Tietze & Michael Ziegelwagner
Musikalischer Gast: Zwakkelmann

Sa. 30.11. TITANIC-MINI-BOYGROUP: Oliver Maria Schmitt & Martin Sonneborn
Musikalischer Gast: Sedlmeir

Moderation an allen drei Abenden: Oliver Maria Schmitt als Anti-Weihnachtsmann
 

Konzerte

Joseph Arthur (USA)
Support: Rene Lopez (USA)
Mo. 4.11., 21.00 Uhr, Studio 1 unbestuhlt

Enno Bunger (DE)
Support: Woods Of Birnam (DE)
Mo. 11.11., 21.00 Uhr, Saal bestuhlt

Zebra Katz (USA)
Local DJ Biffy (DE)
Mo. 18.11., 21.00 Uhr, Saal unbestuhlt

These New Puritans (UK)
Di. 19.11., 21.00 Uhr, Saal unbestuhlt

Teho Teardo & Blixa Bargeld
Mi. 20.11., 21.00 Uhr, Saal unbestuhlt

Scott Matthew (AUS)
Di. 26.11., 21.00 Uhr, Saal bestuhlt

Weitere Informationen und Fotos zum Download finden Sie auf www.mousonturm.de.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Künstlerhaus Mousonturm

Pressekontakt:

Gabriele Müller (Leitung PRÖ)gabriele.mueller@mousonturm.de
Tel.: +49. 69. 40 58 95-41

Elke Lötterle (PRÖ)
elke.loetterle@mousonturm.de
Tel. +49. 69. 40 58 95-42

Hanna Knell (Online-Kommunikation) hanna.knell@mousonturm.de
Tel. +49. 69. 40 58 95-43