If the Orient – according the cultural scientist and pioneer of post-colonialism Edward Said – is a European invention, then shouldn’t all oriental dances, often just called belly dancing, also be considered as a part of European dance history? Why does contemporary dance, which usually implies openness and a diversity of expression, exclude certain forms of dance, in this case belly dancing? In her new solo, Frankfurt-based choreographer Tümay Kılınçel turns existing perspectives around and integrates Oriental dances into the genealogy of the contemporary. How can the exotifying body image of women in belly dance be emancipated socially and thus turn into a means of empowerment? How can Kılınçel as an artist use this body practice without being placed into a prefabricated box?
Infos
Duration: 60 Min.
Mousonturm-Co-production
Sponsors and Supporters
Regie & Performance: Tümay Kılınçel
Dramaturgie: Berna Kurt
Outside: Eye Sherin Hegazy
Musikdesign & Live-Musik: Leila Moon
Lichtdesign: Camilla Vetters, Jost von Harleßem
Technische Leitung: Jost von Harleßem
Assistenz: Giannis Ntovas
Produktionsleitung: Eva Kern, Franziska Schmidt (produktionsDOCK)
Special thanks: Ya Tosiba für den Track Bobbas
Produktion: Tümay Kılınçel. Koproduktion: Treibstoff, Künstlerhaus Mousonturm und Hessisches Staatsballett im Rahmen der Tanzplattform Rhein-Main, HAU Hebbel am Ufer, FFT Düsseldorf. Gefördert durch: NATIONALES PERFORMANCE NETZ Koproduktionsförderung Tanz, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main. Eine Veranstaltung im Rahmen der Tanzplattform Rhein-Main. Die Tanzplattform Rhein-Main, ein Projekt von Künstlerhaus Mousonturm und Hessischem Staatsballett, wird ermöglicht durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain und gefördert vom Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der Stiftungsallianz [Aventis Foundation, BHF BANK Stiftung, Crespo Foundation, Dr. Marschner-Stiftung, Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main].
Dank an: Ali Adar, Amir Asady, Mariya Barashka, İpek Kılınçel, İsmet Kılınçel, Wera Mahne, Lisa Deniz Preugschat, Zadiel Şaşmaz, David Löffel Saltzmann, Gerd Weidig, İstanbul Oryantaller Eğitim Ve Kültür Derneği, Flausen Residenz Gruppe (Nora Amin, Nguyễn Baly, Hiba Shammout), Anna Dippert, Kim Kästli, Steven Wisard
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Der Bauch spricht
von Esther Boldt
Als Kind, erzählt Tümay Kılınçel, habe sie sich nie für den sogenannten Bauchtanz interessiert. Die Choreografin und Performerin ist in Düsseldorf aufgewachsen: „Ich fand es seltsam, zu sehen, dass meine biodeutsche Nachbarin orientalischen Tanz praktizierte, und habe das eher belächelt.“ 2010 begann sie selbst, sich mit dieser Form des Volkstanzes zu beschäftigen. Heute denkt sie, dass er unterschätzt wird. „Ich glaube, dass es ein feministischer Tanz ist“, sagt Kılınçel.
In ihrem neuen Stück „Dansöz“, das im November im Mousonturm Deutschland- Premiere hat, sucht sie nach diesem feministischen, selbstermächtigenden Potenzial des orientalischen Tanzes – und möchte dabei auch seine künstlerischen Qualitäten hervorheben. So experimentiert Kılınçel bei den Proben beispielsweise mit dem Bauch, um den sich im Bauchtanz angeblich alles dreht, sie lässt ihn sprechen und macht ihn so zum Subjekt: Er verselbständigt und ermächtigt sich.
„Dansöz“ ist das erste Solo von Kılınçel, die am Hochschulübergreifenden Zentrum in Berlin Zeitgenössischen Tanz studierte sowie Choreografie und Performance in Gießen. Als Performerin arbeitete sie seither beispielsweise mit Billinger & Schulz zusammen. Zum Freischwimmer-Festival 2015 stellte sie einen alten gelben Wohnwagen an verschiedenen Orten Frankfurts auf: Die „Dance Box“, eine Tanzwunschmaschine für jeweils einen Zuschauer oder eine Zuschauerin, die ähnlich bedient werden konnte wie eine Jukebox: Nach Geldeinwurf konnte ein Tanz ausgewählt und einzeln der Wohnwagen betreten werden, für eine exklusive Vorführung im intimen Rahmen. Zuletzt war ihre Performance „WOW“ am Mousonturm zu sehen, eine Kollaboration mit der Bildenden Künstlerin und Performerin Nuray Demir: Darin arrangierten sie Dinge neu – Teppiche, Tücher, Tulpen –, die in verschiedenen Gemeinschaften in Deutschland eine spezifische Bedeutung haben.
Auch in „Dansöz“ geht es um kulturelle Aneignung, ist der Erfolg des orientalischen Tanzes heute doch auch ein Produkt des westlichen Blicks auf den Osten, ein märchenhafter Rest aus „1001 Nacht“. Ende des 19. Jahrhunderts breitete er sich im Zuge der Kolonialisierung zunehmend auch im Westen aus, wurde hier adaptiert und transformiert. Heute wird er in vielen Ländern der Welt praktiziert, von Laien ebenso wie von Profitänzerinnen und -tänzern auf der großen Bühne. Hierzulande wird er allerdings eher dem Entertainment zugerechnet und ist auf Theaterbühnen so gut wie nie zuhause. Das möchte Kılınçel ändern.
Für ihr Solo recherchierte sie die Geschichte der orientalischen Tänze, sie sprach mit zahlreichen Tänzerinnen und Tänzern und lernte verschiedene Techniken. In den Proben arbeitet sie mit dem Bewegungsmaterial, das sie in Kursen und Workshops gelernt hat, sie wiederholt diese Bewegungsabläufe und eignet sie sich an. Und sie entwickelt auf Grundlage von Schleier, Bustier und Rock verschiedene Kostüme, die die Bewegungen, aber auch die Sicht auf den Tanz und seine Tänzerinnen und Tänzer kommentieren. „Ermächtigend ist natürlich auch, dass Tümay Kılınçel sich als deutsch-türkische Künstlerin überhaupt mit orientalischen Tänzen befasst“, findet Mousonturm-Dramaturgin Anna Wagner. „Natürlich könnte sie so Klischees bestätigen oder heraufrufen, das könnte also für Tümay ein vermintes Feld sein. Aber sie befasst sich dennoch mit dem Bauchtanz, einfach, weil sie es will und interessant findet, und widersetzt sich so auch bestimmten Einund Auschlüssen, die im zeitgenössischen Tanz bestehen.“