72-hours live stream on Youtube (24.09., 7 p.m. to 27.09. 7 p.m.)
Over the past two years, Frankfurt choreographer Fabrice Mazliah and his colleague Marialena Marouda have invited fellow performing artists to enter into dialogue with a handmade object of their choice. In the fifth duet of the series, choreographer Michele Di Stefano meets Andy Warhol’s diaries. In every duet until now, the object, through its functions, proposes the duration of the work, according to the time it needs to reveal itself. In the case of the diaries and their 807 pages, the book demands a length of 72 hours in order to be read in its entirety. As a consequence, Di Stefano and the book will spend three full consecutive days and nights together on the main stage of the theatre, in a reading ritual/marathon in which the public can partake either in person, during various public windows, or virtually, via livestream. What happens in this 72 hours while reading? This simple question gives rise to complex physical dialogue between Di Stefano and the book. A book consists of nothing but white paper and black letters. However, it opens up intimate, mental spaces which the reader navigates thanks to her/his imagination. This unusual duet explores the relationship between materiality and immateriality, between the process of reading and being read, inviting the inner voices of the spectators, their imaginary worlds, to merge with those of Di Stefanos and the book.
Infos
Duration (performance & livestream): 72 hours
Duration (timeslots for visists at Mousonturm): approx. 60 min
Language: English
72-hours live stream on Youtube
Please book a ticket for the visits at Mousonturm (ticket links above) online.
Admission to the hall starts 45 min. and ends 10 minutes in advance. Please be on time.
Admission only with face mask! More information on hygiene and safety
Sponsors and Supporters
Konzept: Fabrice Mazliah
Choreografie: Fabrice Mazliah in Zusammenarbeit mit Michele di Stefano und Marialena Marouda
Performance: Michele di Stefano und ein Buch
Composition/Sound: Lorenzo Bianchi-Hoesch
Produktion: Work of Act / Fabrice Mazliah. Ko-Produktion: Künstlerhaus Mousonturm im Rahmen der Tanzplattform Rhein-Main. Gefördert von: International Coproduction Fund - Goethe Institut, Kulturamt der Stadt Frankfurt
Die Tanzplattform Rhein-Main, ein Projekt von Künstlerhaus Mousonturm und Hessischem Staatsballett, wird ermöglicht durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain und ist gefördert vom Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der Stiftungsallianz [Aventis Foundation, BHF BANK Stiftung, Crespo Foundation, Dr. Marschner-Stiftung, Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main].
More Information
Eselsohren schauen dich an
Warhol, ein Buch und im Taxi von der Bar zur Party: Fabrice Mazliah choreografiert das fünfte Mensch-Objekt- Duett seiner „Manufactured Series“ im Mousonturm- Lehmbau.
VON MELANIE SUCHY
Was soll ein Buch auf der Bühne? Im Schauspiel kennt man es als sogenannte Vorlage. Es legt etwas vor; dann ist es weg, als Buch. Im Tanz sind Bücher Fremdkörper, außer als seltene Story- Lieferanten oder Recherche-Grundlagen aus dem Philosophie-Regal. Der Düsseldorfer Choreograf VA Wölfl von NEUER TANZ ließ seine Tänzerinnen und Tänzer einst kiloweise Bücher aus Kartons räumen und ausufernd auslegen, um dann auf dem Patchwork herumzuschreiten und zu musizieren. Der Frankfurter Choreograf und Tänzer Fabrice Mazliah, ehemals Mitglied der Forsythe Company und des Kollektivs MAMAZA, das mittlerweile „Work of Act“ heißt, macht nun das Gegenteil: In seinem „Duet #5: The Act of Reading“ trifft ein Tänzer ein Buch, und hier soll keiner von beiden den anderen benutzen, ausnutzen, unterdrücken.
Sie haben erst eine Woche geprobt, das Stück ist noch ganz am Anfang, als Mazliah und seine Dramaturgin Marialena Marouda am Bildschirm Auskunft geben. Nach einer Weile beginnen mir die Gedanken zu schwanken, denn wer dem Lesen, dem Geschriebenen, den Personen, den Seiten, dem Auf und Zu, dem Umdrehen, Halten, Weiter-Weiter, den Stimmen, Orten und Blickverläufen so nachgeht, verliert irgendwie den festen Halt.
Diese Performance wird die fünfte der Serie von zehn Duetten, „The Manufactured Series“, die Beziehungen von Personen zu Objekten (und umgekehrt) untersuchen und inszenieren. Es gehe dabei um möglichst „gleichberechtigte Entitäten“, betont Mazliah, und um die besondere Aufmerksamkeit bei dieser Art von Machtverteilung, um das Kennenlernen als Prozess, um das Zuhören, das Aufeinander-Hören. Wobei diese Objekte etwas von Hand Geschaffenes oder mit der Hand Bedienbares sind: Ein Radio, eine Angel mit Federköder und eine Keramiktasse traten schon mit auf in der Serie, stets mit Bezug zur Geschichte des menschlichen Mitspielers. Wer wählt was aus, was wählt wen aus, was bewegt?
Fabrice Mazliah bat diesmal den italienischen Choreografen und Kurator Michele Di Stefano, Performer zu sein. Und ein Buch mitzubringen. Di Stefano trug herbei, was ihn seit vielen Jahren begleitet: „I diari di Andy Warhol“, das Tagebuch, das der amerikanische Künstler diktiert hatte. Keine Story ist das, eher ein Kunstprojekt, das Banalitäten zum Inhalt hat, wie Marialena Marouda erläutert: „…von Bar zu Bar zu Party, dann ins Taxi“, die langweilige Abfolge von Tag zu Tag.
Doch wie kommt der Inhalt, das, was im Buch ist, nach draußen, ins Innere des Lesers und der Leserin, ins Auge des Betrachters, der Betrachterin? Die Dramaturgin spricht vom Materiellen und Immateriellen – und von der Aufgabe, dieses sichtbar zu machen, im Prinzip also zu materialisieren auf der Bühne. Ob das Warhol ist oder di Stefanos Gedanken über ihn oder die Abfolge von Tagen, ob es das Öffnen von Buchdeckeln ist oder von einer Persönlichkeit und ihren Fantasien: Die ungewohnte Aufgabe des Publikums werde sein, die Gleichwertigkeit von Mensch und Buch wahrzunehmen – was immer ein Buch tatsächlich ist; und ein Mensch. Ein Tanz.