A loving smile that mutates into a devilish grin. Two bodies, shaken by eruptive explosions, trembling and twitching, vulnerable and full of energy at the same time. The Bessie-award winning piece "Glory" by Berlin-based choreographer Jeremy Wade continues to be of rousing intensity even in its fourth adaptation. An unconditional, naked duet in which Wade and dancer Sindri Runudde live through the brutality that norms exert on the body. To the stirring electro sounds of Lou Drago, two bodies struggle with agony and ecstasy, developing a dance of non-belonging in which the opposite poles of shame, remorse, humiliation, intoxication, and finally submission and surrender are transformed and disrupted.
All information on the event: www.tanzfestivalrheinmain.de
Infos
Duration: 55 Min.
No language skills required
11.11. Artist´s Talk after the performance
12.11. Small Talks after the performance
Admission only with face mask! Mask must be worn during the performance. More information on hygiene and safety
Sponsors and Supporters
Concept, Choreography: Jeremy Wade
Performance: Jeremy Wade, Sindri Runudde
Music: Lou Drago
Lights: Andreas Harder
Rehearsal Director: Michael Rolnick
Artistic Support, Assistant: Darcey Bennett
A Jeremy Wade production. Supoprted by Dance Theatre Workshop and Jerome Foundation's First Light Program. Thanks to Springdance and Tanztage Berlin. The neu adaptation was made possible by the City of Berlin’s Department for Culture and Europe. Supported by the NATIONALES PERFORMANCE NETZ Guest Performance Fund for Dance which is funded by the Federal Government Commissioner for Culture and the Media, and the Departments of Culture and Arts of the German federal states. Part of „Corponomy – Politiken des Körpers in Tanz, Performance und Gesellschaft“, funded by the Federal Agency for Civic Education.
„Glory“ ist eine Veranstaltung im Rahmen der Tanzplattform Rhein-Main. Die Tanzplattform Rhein-Main, ein Projekt von Künstlerhaus Mousonturm und Hessischem Staatsballett, wird ermöglicht durch den Kulturfonds Frankfurt RheinMain und gefördert vom Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der Stiftungsallianz [Aventis Foundation, BHF BANK Stiftung, Crespo Foundation, Dr. Marschner-Stiftung, Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main].
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Unsere Körper sind elektrisch aufgeladen
Postmodern, post-fucked, post mortem: Der Tänzer und Choreograf Jeremy Wade erinnert sich an sein extrem körperliches Künstlerwerden im New York der Jahrtausendwende. Als Reaktion darauf entstand „Glory“, das er nun wieder aufgenommen hat.
VON JEREMY WADE
„Glory“ war das erste Stück, das ich als junger Choreograf in New York City ab 2003 erarbeitet habe. Ein brutales, nacktes Duett, ein Tanz der Nicht-Zugehörigkeit, eine Enteignung der glatten, fließendenden sozialen Codes, die die alltäglichen Gefühls- und Verhaltensmuster menschlicher Interaktion ausmachen und die Vorstellungen von festgelegter Subjektivität. Das Duett wirft auf eine im Grunde widerliche, zutiefst körperliche Art ontologische Fragen auf und erkundet, wie die Gegenpole von Scham, Reue, Erniedrigung, Ekstase, schließlich Unterwerfung und Hingabe umgeformt und durchbrochen werden.
Es war nicht leicht, Ende der 1990er Jahre als junger Künstler in New York City erwachsen zu werden. Es waren die Jahre nach der AIDS-Epidemie, die so viele Tänze gelöscht hat. Ich begann mein Tanzstudium im Licht der Postmoderne an der School for New Dance Development in Amsterdam, wo mich die kühnen, queer-feministischen Künstlerinnen Katie Duck und Gonie Heggen beeinflussten. Nach meiner Rückkehr nach New York City stellte ich allerdings fest, dass hier ausschließlich die Hyperfunktionalität des Körpers angesagt war. Alles drehte sich um die sogenannten somatischen Praktiken, deren Ziel es ist, ein fließendes, entspanntes, pendelgleiches Schwingen zu produzieren. Gefällig anzuschauen, angenehm auszuführen, als ganzheitlich etikettiert, aber letztendlich eine behagliche Kunstfertigkeit für die weiße Mittelschicht, ausgerichtet auf Effektivität und Produktivität.
Im Gegensatz dazu waren die Tänze, die aus mir kamen, nervös und unbehaglich. Ich gab mich ekstatischen Grotesken hin, einem emotionalen und körperlichen Kontinuum, einem Essentialismus der Widerlegung, den ich „ Articulating Disorientation“ nannte. Ich arbeitete mir damals den Arsch wund, als Barkeeper, Go-Go-Tänzer, Anstreicher und Stricher, und überlebte den Big ( Badass) Apple nur knapp. Ich habe im „The Cock“ in der Avenue A gearbeitet, seinerzeit die anrüchigste und unglaublichste Schwulenbar des Universums. Du bekamst dort schon Syphilis vom Sitzen auf dem Sofa. Ich habe eine Menge Drogen genommen, eine Menge Sex in Darkrooms gehabt, mich wild kostümiert und bei den legendären Foxy-Parties nackt in der Menge gebadet.
Kurz gesagt, in meinen Zwanzigern bewegte ich mich durch die Welt mit weit aufgerissenen Augen, einem langsam heraufziehenden Nervenzusammenbruch und einer gigantischen Dauererektion. Mein Absturz war gewaltig; die Twin Towers fielen, und praktisch über Nacht trat als neue Weltordnung die Schock-Doktrin der Gentrifizierung in Kraft. Ich nannte das Genre, in dem sich meine Choreografie-Kollegen bewegten – und ich mich – nicht postmodern, sondern post-fucked. Wir waren post mortem.
In „Glory“ sind viele dieser Erfahrungen enthalten, das Stück wurde zu ihrem Aufbewahrungsort. Mich faszinierte die Politik der Ekstase und Unterwerfung. Ich machte Notizen, wenn ich abstürzte und verzeichnete penibel mein dialektisches Verhalten zwischen Speichelleckerei und Manie. Zu gut kannte ich diese Momente auf den Tanzflächen, wenn „she was feeling it!“: die rollenden Augen und die zur Seite geworfenen Beine und Arme. Mir begegneten solche sich entfaltenden Körper auch in den ekstatischen Tänzen von Pfingst-Gemeinden, wenn Mitglieder „die Kraft des Heiligen Geistes“ empfingen, der sie durchrüttelte bis zu einer ungeheuerlichen Auslöschung. All diese Verhaltensprinzipien fanden ihren Weg in die Arithmetik von „Glory“: Affekt als Kraft, das Kind als Gipfel der Trance; aber am wichtigsten das Gefühl, dass Hingabe ein Ort undifferenzierter Schwingungen war, oder, wie ich es gern ausdrücke, ein Ort des „alles ist neu“.
„Glory“ ist ein Geschenk der queeren Götter. Für mich ereignete sich „Glory“ in geschmähten Räumen, unheilig und profan, während der frühen Morgenstunden. Vom AIDS-Aktivisten, Kurator und Autor Douglas Crimp stammt der berühmte Satz: „Unsere Promiskuität wird uns retten.“ Ich bin eine Hure. Ich öffne meine Löcher für euch, und ich tue es auch auf der Bühne. Ich werde bezahlt, es herrscht ein Konsens. Meine Promiskuität ist eine queere, utopische, extrovertierte und extrem inklusive Sozialität. Sie ist ein Plädoyer dafür, gemeinsam anders zu sein, eine sinnliche Form wechselseitiger Abhängigkeit. Unsere Körper sind elektrisch; aufgeladen mit Perversion können wir hin und wieder ein schillerndes Anderssein erleben.
Kann eine Performance die beschissenen Geschichten umschreiben, in die wir verstrickt sind? Können wir die Mythen umschreiben, die uns trennen? Und können wir diese kritische Umschreibung statt durch Zerstörung durch gegenseitige Unterstützung erreichen? Vielleicht führt affektive Solidarität, dieses Gefühl seelischer Verbundenheit, zu der Zuversicht, dass alles gut werden wird, „that it’s going to be ok“. Wenn wir über die beschissenen Geschichten, in die wir verstrickt sind, lachen können, ist das verdammt mächtiger Scheiß. Und wenn wir die beschissenen Geschichten, in die wir verstrickt sind, betrauern können, ist das ebenfalls krass. In einem Raum voller Menschen trauern zu können, darin ist das Theater am besten. Die politische Wirkmacht der Kunst liegt also vielleicht in ihrer Fähigkeit, anders, von einer weniger gewalttätigen Zukunft, zu träumen. Und dass sie ein Zufluchtsort bleibt, an dem wir neue Mythen erschaffen, die uns durch die komplizierte Gegenwart bringen.
DEUTSCH VON KRISTIAN LUTZE