Haben Sie „Modern“ gesagt? Erste Ausgabe

Location: Frankfurt LAB (Gallus)

Ausstellung

Xavier Le Roy, Tiziano Manca and Christophe Wavelet haben sich zum Issho Ni Ensemble zusammengeschlossen und machen für die Frankfurter Positionen 2017 eine Ausstellung, in der das Ensemble Modern und alle seine Mitglieder, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Ausstellungssubjekte sind. „Haben Sie ‚Modern‘ gesagt?“ zeigt eine andere Möglichkeit, die Arbeit des Ensemble Modern zu präsentieren. Nicht in Form eines Konzerts, nicht szenisch, illustrativ oder als musikalische Performance. Das Issho Ni Ensemble macht eine Ausstellung, in der das Ensemble Modern und alle seine Mitglieder und MitarbeiterInnen die Ausstellungssubjekte sind.
Den drei Künstlern geht es um das Kollektiv Ensemble Modern selbst, den Organismus, die Arbeitseinheit. Die Struktur, die Finanzen, die Logistik. Die AusstellungsbesucherInnen werden eingeladen, hineinzuschauen in dieses Gebilde, wo Musik, Instrumente, Werke,
Technik, Organisation, vor allem aber wo Menschen täglich im Zusammenspiel sind.
Beleuchtet werden soll auch das ,Moderne‘, das sich das Ensemble bei seiner Gründung 1980 auf die Fahnen und in den Namen geschrieben hat. Haben Sie „Modern“ nur gesagt? Was bedeutet „Ensemble“, was versteht man im Haus in der Schwedlerstraße darunter? Wie kann
man Arbeiten von Experimentieren unterscheiden, und wie kann einer, der hochspezialisiert ist an seinem Instrument, überhaupt noch in Experimenten denken?
Im Laufe der Entstehung des Projekts wurde jede einzelne Ensemble-Modern-MusikerIn ausführlich befragt. Auch Mitarbeiter des Ensembles, die kein Musikinstrument bedienen wurden mit einem Fragebogen bedacht, so auch der Manager und Geschäftsführer des
Ensemble Modern.

Das Issho Ni Ensemble über Haben Sie „Modern“ gesagt?
„Schon der Name ‚Ensemble Modern‘ erinnert uns ausdrücklich an die historische
Gleichzeitigkeit von sich formierenden Musikensembles und das Projekt der Moderne in der Musik. Abgeleitet aus dem im 19. Jahrhundert etablierten Modell des Sinfonieorchesters, finden moderne Musikensembles ihre wesensmäßige Bestimmung im Konzert – als der am
besten geeigneten öffentlichen Form musikalischen Erlebens. Während das Orchester für gewöhnlich die Aufteilung zwischen soli und tutti mit sich bringt, ist das Ensemble darauf ausgerichtet, eine solche traditionelle Rangordnung aufzulösen. Gleichwohl folgt es in seiner
Instrumentenwahl dem Beispiel des Orchesters und wahrt die Voraussetzung musikalischer Virtuosität, wie sie der Rolle von Orchestersolisten eingeschrieben ist.
Obschon das Konzert seit dem 20. Jahrhundert immer wieder von diversen KünstlerInnen infrage gestellt wurde, ist es das gängige Format für die öffentliche Darbietung und Wahrnehmung von Musik geblieben. Haben sie ‚Modern‘ gesagt? erkundet die verschiedenen Möglichkeiten, die eine andere Form der künstlerischen Präsentation eröffnet: die der Ausstellung. Was das Projekt vorstellen möchte, ist nicht nur Musik, sondern das Ensemble
Modern selbst. Die BesucherInnen sind daher eingeladen, verschiedene Situationen zu erleben, in denen die menschlichen, instrumentalen und technischen Aspekte, die den Lebensalltag eines heutigen Musikensembles unumgänglich prägen, zusammengeführt und neu aktiviert werden. Es wird sich unter anderem mit folgenden Fragestellungen beschäftigen: Was ist ‚Modern‘ im Leben des Ensemble Modern? Was bedeutet ‚Ensemble‘ im Hinblick auf dessen Arbeitsaktivitäten? Welche spezifischen Praktiken implizieren diese Begriffe? Wie lassen sich berufliche Spezialisierung und künstlerisches Experiment vereinbaren? Ist eine Aufführung Mittel oder Zweck? Wann strebt das Kunstschaffen mehr nach Befreiung als nach Gewinn? Wie können künstlerische Gesten öffentliche Stätten der Erfahrung bleiben? Wie können sie die Thematisierung und Diskussion gemeinsamer Fragestellungen ermöglichen?“

Das ISSHO NI ENSEMBLE bringt seit 2016 in wechselnder Besetzung KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen zusammen, die sich in einer langfristigen Forschung dem Verhältnis zwischen Geste und Rhythmus als künstlerische Erfahrung widmen. Seine Mitglieder möchten, indem sie bestimmte gängige Trennungen zwischen künstlerischen, wissenschaftlichen und klinischen Disziplinen hinterfragen, die Richtlinien ihrer jeweiligen Praktiken hinsichtlich jener Felder überdenken, in denen ihre Themen sich überschneiden und eine neuartige Bündelung ihrer Methoden und Mittel ermöglichen. Im Rahmen der Frankfurter Positionen 2017 werden drei Mitglieder des Issho Ni Ensembles mit dem Ensemble Modern zusammenarbeiten: Xavier Le Roy, Tiziano Manca und Christophe
Wavelet.

XAVIER LE ROY, arbeitet seit 1991 als Künstler. Arbeiten wie E.X.T.E.N.S.I.ON.S. (1999 – 2000), production (2011) (im zusammen Arbeit mit Mårten Spångberg), untitled (2012) oder Retrospective (2012) Temporary Title 2015, For The Unfaithful Replica (2016) (in Zusammenarbeit mit Scarlet Yu) wurden bereits für Ausstellungsräume und -Zeiten konzipiert und erforschen die Besonderheiten in den Beziehungen zwischen Zuschauer / Besucher, Performer und Arbeit.

TIZIANO MANCA ist Komponist für Vokal- und Instrumentalmusik. Seine Werke werden auf internationalen Musikfestivals und in Konzerthäusern und von renommierten Ensembles zeitgenössischer Musik wie Ensemble Recherche, Musikfabrik, Neue Vocalsolisten und Klangforum Wien aufgeführt. Nach seiner langjährigen kompositorischen Erforschung der Grenzen akustischer Instrumente und der menschlichen Stimme, widmet sich Manca
gegenwärtig der zeitlichen und rhythmischen Dimension der Musik im Zusammenhang mit der körperlichen Präsenz und der Geste des Performers. Neben seiner Praxis als Komponist forscht Tiziano Manca derzeit im Rahmen einer Artistic Research über die Sichtbarkeit von
musikalischer Zeit und Rhythmus am Orpheus Institut in Gent.

CHRISTOPHE WAVELET ist Künstler und Kurator. Er war Mitglied des Knust Kollektivs in Paris (1993 – 2002) sowie des Redaktionskomitees des französischen Kunstmagazins Mouvement und der politischen Zeitschrift Vacarme (1998 – 2004). Direktor von LiFE, ein internationaler Veranstaltungsort für die zeitgenössische Kunstproduktion (2005 – 2010), arbeitet derzeit als Senior Curator für das ‚Centre National de la Dance‘ in Paris (seit 2014) sowie für Mophradat, eine transnationale künstlerische Non-Profit- Organisation, die mit Künstlern aus der arabischen Welt kooperiert (seit 2015).

In Deutsch und English * Eine Produktion von Künstlerhaus Mousonturm und Ensemble Modern, in Koproduktion mit der Ruhrtriennale – für die Frankfurter Positionen 2017, eine Initiative der BHF-Bank-Stiftung * Produced at Frankfurt LAB * Mit freundlicher Unterstützung durch die Adolf und Luisa Haeuser-Stiftung für Kunst- und Kulturpflege, Frankfurt am Main * Issho Ni Ensemble dankt der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo für die Unterstützung des Projekts.


Foto: Issho Ni Ensemble

Uraufführung * Mousonturm-Produktion