Fr. 15.11.2013

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Her eyes are opened wide, her mouth stands open, her wings are outstretched and her face is turned towards the past. She would like to awaken the dead and to piece together what was smashed, but a storm is blowing hard and its wind has caught itself in her wings and is so strong that she can no longer close them. The storm drives her irresistibly towards the future to which her back is turned, while the rubble-heap before her grows sky-high. So lautet, frei nach Walter Benjamins „Engel der Geschichte“, der vollständige Titel der Arbeit von Billy Bultheel und Uri Turkenich, die am Mousonturm uraufgeführt wird (Do. 19.12., Fr. 20.12., WARM UP Do. 19.12. und Fr. 20.12.). Die Dinge, die Menschen tun, sind in gewisser Weise Folge ihrer eigenen Geschichte. Diese kann auf viele Arten verstanden werden. Die Auffüh-rung präsentiert drei Tanz-Performances, die auf drei Ikonen der Tanzgeschichte basieren – Anne Teresa De Keersmaeker, Pina Bausch und Isadora Duncan. Alle drei Choreografien suchen nach etwas, das in der Vergangenheit verborgen ist oder dort verloren ging, nach dem Moment, in dem etwas Neues passierte. Nicht der Versuch zu imitieren, was andere bereits erreicht haben, ist beabsichtigt, sondern an einen Moment tatsächlicher Veränderung zu erinnern.

Mit einem eklektizistischen Revolutionstrip überwindet Stéphane Bittouns Nach dem Zorn (Uraufführung 5.12., 6. – 8.12.) Zeit und Raum. Historisches, Reales und Fiktives spannt der Frankfurter Regisseur auf verschiedenen Erzähl- und Stilebenen sprachenreich und medienübergreifend in eine komplexe Film-Hörspiel-Bühnenperformance. Sechs Ikonen unterschied-licher Revolutionen treffen darin aufeinander: Ein alt gewordener Fidel Castro, der sich nach neuer Revolutions- und Manneskraft sehnt, verliebt sich in die Pussy Riot Punk-Aktivistin Nadezhda Tolokonnikova, kontaktiert sie unter dem Pseudonym „Che“ und befreit die schöne Russin in einer Guerilla-Aktion aus dem russischen Strafgefangenenlager. Sofort schließt Russland alle Grenzen und die Flucht der Guerilleros wird gefährlich. Indes entwickelt Aung San Suu Kyi tiefes Mitgefühl für den in ihrer Ex-Heimat London unter Arrest sitzenden Julian Assange. Plötzlich taucht T.E. Lawrence auf, Oxford Alumnus wie Kyi und eine Zelle von Anonymus-Anhängern wittert ihre Chance und plant mit den Polit-Ikonen den globalen Revolutions-Coup.

Das Performance Research Projekt des One Week Stand setzt sich mit instinktiver Kreativität im künstlerischen Schaffensprozess auseinander. Innerhalb nur einer Woche erarbeitet das MichaelDouglas Kollektiv mit wechselnden Gastkünstlern ein Showing (Do. 5.12., Fr. 6.12.) und lotet die Möglichkeiten von Tanz in diesem begrenzten Zeitrahmen aus. Dabei fungiert das Konzept der Kürze als Katalysator für spontane Kreativität in der künstlerischen Arbeit. Für den mittlerweile dritten One Week Stand in Kooperation mit dem Tanzlabor_21 wird die Gruppe mit den Choreografen und Tänzern Angela Schubot und Jared Gradinger arbeiten.

Ivo Dimchev ist ein Extremkünstler. Exzessiv. Verführerisch. Nachhaltig beeindruckt hat er das Frankfurter Publikum schon im September dieses Jahr mit I-on, einer Performance mit Passstücken von Franz West. Der in Brüssel lebende bulgarische Performer und Choreograf ist jetzt zum zweiten Mal hier und zeigt sein interaktives, grenzgängerisches P project. (Do. 12.12.), das auf Wörtern basiert, die mit P beginnen: Piano, Poetry, Police, Pussy … .
Dimchev selbst sitzt am Klavier und bietet aus dem Publikum jedem bares Geld für spontane Bühneneinsätze. Je besser die Bezahlung für einen Einsatz, desto höher sind auch die Anforderungen an die Kompetenz und Schamgrenze der Freiwilligen. Dimchevs Arbeit wohnt ein tiefer Zweifel inne an der Idee, Grenzüberschreitungen durch äußere Identifikation mit wem oder was auch immer zu erwirken. Er richtet seine Konzentration nach innen, untersucht und inszeniert sich selbst und lässt seine gnadenlose Fantasie, vielgesichtige Stimme und seine eindrucksvolle, bedrohliche Körpersprache wirken.

Der bildende Künstler und Choreograf Ibrahim Quraishi lädt zum Besuch einer außergewöhnlichen Langzeitperformance: Von Freitagabend bis Samstagnacht (Fr. 13.12., 18.00 Uhr durchgehend bis Sa. 14.12., 24.00 Uhr) öffnet er im Mousonturm das so detailreich wie materialintensiv gestaltetes Habitat Wild Life Take Away Station. Darin leben für 30 Stunden ein junger Mann und eine ältere Frau und teilen diesen Lebensraum mit allen Besuchern, die herzlich willkommen sind, beliebig und gerne auch 30 Stunden lang zu bleiben – für Verpfle-gung und ein Nachtlager ist gesorgt! Die choreografische Performance des ungleichen Paares entwickelt ihre eigene Dynamik, kostet jede Sekunde aus und spielt dabei mit dem beständigen Versprechen, Verborgenes über die Paradoxien unseres menschlich-animalischen Daseins zu offenbaren.

Grobe Poesie und drastischer Humor verbinden die vier auf europäischen Tanzfestivals in unterschiedlichen Konstellationen höchst erfolgreichen Tänzer Pieter Ampe, Guilherme
Garrido, Hermann Heisig und Nuno Lucas. Für a coming community (Mi. 18.12., Do. 19.12., 20.00 Uhr, WARM UP Do. 19.12.) kollaborieren sie zum ersten Mal als multinationales Quartett und erfinden sich in einem performativen Kraftakt als dynamisches Team und unverwüstliche Truppe neu. Eine Nerven, Augen, Ohren und sämtliche Körperteile strapazierende Geschicklichkeitsaufgabe da beständig neue, völlig maßlose Sonderwünsche ins gemeinschaftliche Sozialgefüge integriert werden müssen. Doch sie schaffen es – mit dem Ehrgeiz, einfach alles zu geben und selbst aus der banalsten Idee noch eine berauschende Sensation zu machen.

Im März 2014 wird die Frankfurter Choreografin und Tänzerin May Zarhy gemeinsam mit Kathryn Enright am Mousonturm eine neue Arbeit präsentieren. In einem Studio-Showing (Fr. 20.12.) lassen die beiden Performerinnen interessierte Besucher bereits jetzt an ihrer Arbeit, an Materialien und Gedanken teilhaben und zeigen Auszüge aus den bisherigen Proben. Im Zentrum steht der tanzende Körper als „way of being“, als grundsätzliche Seinsweise mit all seinen Bewegungen, Erfahrungen und seinem Wissen. May Zarhy ist zur Zeit als Teil des choreografischen Trios MAMAZA für zwei Jahre Residentin am Künstlerhaus Mousonturm.
 

Konzert und Lesung

Der Schweizer Schlagersänger Dagobert (So. 15.12.) mit der beherzten, ungeübten Stimme und alpinem Zungenschlag hat schon im Frühjahr nachhaltigen Eindruck im Mousonturm hinterlassen. Und er kommt wieder: Ein Mann, sein Gefühl und die großen Dinge des Lebens. Lassen Sie sich vom direkten Griff nach Ihrem Herzen überwältigen.

Mit Berichten aus dem Christstollen (Mo. 16.12.) lädt Jan Weiler zum Weihnachtsprogramm, denn: Die Festtage drohen. Mit Konsequenzen für Figur und Nervenkostüm, mit Zwangsverwandlungen (in Nikoläuse), mit ungeliebten Getränken (Glühwein) an erbarmungslosen Orten (Weihnachtsmarkt). Kinder verwandeln sich in Wunschmonster und Ehefrauen in backende Nervenbündel. Jan Weiler präsentiert die schönsten Weihnachtsgeschichten aus Maria, ihm schmeckt’s nicht und seiner Serie Mein Leben als Mensch.

Wir wünschen Ihnen ein schönes Wochenende!

Künstlerhaus Mousonturm

Pressekontakt:
Gabriele Müller (Leitung PRÖ)gabriele.mueller@mousonturm.de
Tel.: +49. 69. 40 58 95-41

Elke Lötterle (PRÖ) elke.loetterle@mousonturm.de  
Tel. +49. 69. 40 58 95-42

Hanna Knell (Online-Kommunikation) hanna.knell@mousonturm.de  
Tel. +49. 69. 40 58 95-43