Di. 15.11.2016

Programm Dezember


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
kurz nach der Premiere in Lausanne zeigen Dieudonné Niangouna und seine Compagnie Les Bruits de la Rue ihr grandioses Stück zur Stunde, Nkenguégi, (1. & 2.12., Mousonturm-Koproduktion, Französisch mit deutschen Übertiteln) als Erstaufführung im deutschsprachigen Raum im Rahmen des Festivals
Afropäischer Künste – Afropean Mimicry & Mockery in Theatre, Performance and Visual Art im Mousonturm. Im hochreflektierten Text über Flucht, Migration und Dazwischen-Sein, den drängenden Themen der Zeit, prallen Fragen satu-rierter Bohèmiens, die Verzweiflung eines Schiffbrüchigen und das Dilemma einer Theatergruppe, die ein Stück probt, aufeinander. Niangouna verhandelt Facetten einer Welt, die nicht mehr schlüssig zu erklären ist. Am Samstag liest
Niangouna im Rahmen von SCÈNE – neue Theaterstücke aus dem frankophonen Afrika (3.12., Deutsch und Französisch), den von ihm verfassten Monolog M’appelle Mohamed Ali, in dem ein Schwarzer Schauspieler vor weißem Publikum über Schwarze Identität und Geschichte und zeitgenössisches Theaterschaffen reflektiert. Die minimalistische Groteske Sur la pelouse des jungen Guineer Autors Hakim Bah verzeichnet die Verwüstungen, die die Gewaltexzesse von Bürgerkrieg und Diktatur in der Sprache hinterlassen haben. Im Rahmen des Festivals Afropäischer Künste […] hatte das Theater im Bahnhof, das größte professionelle freie Theaterensemble Österreichs, eine Residenz in Lagos und realisierte mit nigerianischen Studierenden das Projekt The Shop, einen Straßenshop, in dem auch deutsche Bücher verkauft wurden. Prämisse war die gleichberechtigte Teilhabe von Lagosians und Österreicher*innen, doch schnell stellten sich Fragen nach universellen Rechten, feinen Unterschieden und auch diese: Ist ein deutscher Pass auch ein Buch? Die Europaversion The Shop Or No Ability To Choose  (1.12. & 2.12., 18 Uhr, Deutsch und Englisch; Erstaufführung im deutschsprachigen Raum, Mousonturm-Koproduktion) reflektiert, teils getanzt, die mit dem Projekt verbundenen Ansprüche, Klischees und Erfahrungen der Beteiligten. Die kongolesisch-österreichische Choreografin und bildende Künstlerin Elisabeth Bakambamba Tambwe befragt mit dem chilenischen Multimediakünstler Nicolas Spencer in Pink Eye (3.12., 19:30 Uhr) die unserer Wahrnehmung zugrunde liegenden Parameter und Kategorien. Reagieren wir nur auf erlernte Codes? Elisabeth Bakambamba Tambwe nimmt den Blick selbst ins Visier und stellt Fremdwahrnehmung und die (Selbst-)Manipulation von Kör-pern in Westeuropa, der afrikanischen Diaspora und der kongolesischen Gesell-schaft ins Zentrum. Mit heiterer Selbstironie verhandelt sie dabei auch ihre ei-gene Rolle als Quotenexotin inmitten einer weißen Kunstszene.
Die Ausstellung stitching stars – ways of (self-)representation mit Arbeiten von Victor Omar Diop, Andrew Esiebo, Nathalie Anguezomo Mba Bikoro, Harold
Offeh & Wura-Natasha Ogunji ist vom 24.11. noch bis 3.12. zu sehen.

Antonia Baehr gilt als Choreografin und entwickelt nach eigener Aussage mit Normal Dance  (9. & 10.12., 20 Uhr, Mousonturm-Koproduktion) nun mit Mir-jam Junker und Pia Thilmann ihr erstes Tanzstück: Mit kräftigem Griff und fes-tem Stand, kurz: femininer Maskulinität, werfen sich drei Butches mit viel Lust und Risikofreude auf die Bühne und erforschen die Rhetorik des zeitgenössi-schen Tanzes. Gerahmt werden die Aufführungen von Normal Dance am 10.12. vom Impulsvortrag Vom „ganz Normalen“ (19:30 Uhr) der Theaterwissenschaftlerin Mayte Zimmermann und einem auf die Aufführung folgenden Gespräch mit den Künstlerinnen und den Theaterwissenschaftlerinnen Fanti Baum, Olivia Ebert und Mayte Zimmermann, beides in der Reihe off the record. Denken in präziser Unschärfe von ID_Frankfurt.

Ivo Dimchev, bulgarischer Performer und Choreograf mit klassischer Stimmausbildung, ist bekannt für schonungslose Authentizität und herausfordernde Shows, die seine Zuschauerschaft durchaus spalten können. Mit Songs from my Shows (13.12., 20 Uhr) jedoch lädt er zu einem seiner raren Live-Konzerte, die seine Musikalität und sein außergewöhnliches Gesangstalent ins Zentrum stellen. Die Lieder, meist Eigenkompositionen, löst Dimchev aus dem Kontext der Aufführungen und präsentiert sie als eigenständige Meisterwerke.

Hofmann&Lindholm laden das Publikum in ihrer begehbaren Installation und durational performance hiding piece  (16. & 17.12., 17 – 22 Uhr; 18.12., 15 – 20 Uhr; durchgehend Kommen und Gehen, Mousonturm Koproduktion) dazu ein, in einer Szenerie unterzutauchen, in der jedes Ding zum potentiell belebten Gegenüber wird. Doch der Schauplatz wird erst dann zum Ereignis, wenn sein Publikum nicht mehr zu sehen ist. Vor dem Hintergrund global zunehmender Gewaltbereitschaft thematisieren Hofmann& Lindholm die Zuflucht im toten Winkel, im Versteck, im Hinterhalt, und inszenieren einen Perspektivwechsel, der den Blick aufs Ganze nicht mehr zulässt.

Deutschland, 2021: Nach zahllosen Krisen ist die Vision vom geeinten Europa verblasst und ein totaler Sicherheitsapparat installiert. Die Gesellschaft ist in Be-fürworter*innen und Gegner*innen der EU Solidargemeinschaft gespalten. Ein Volksentscheid soll Klärung bringen, doch kurz zuvor gelangt eine PR-Agentin unter mysteriösen Umständen an geheime Dokumente, deren Veröffentlichung erschütternde Konsequenzen für Europa hätte. Mit Lessons of Leaking (15. – 17., jeweils 18, 20, 22 Uhr; 18.12., 16 & 18 Uhr, nur 12 Plätze pro Show) in-szeniert die Berliner Gruppe machina eX, die für immersive Projekte zwischen Computerspiel, Theater und interaktiver Installation steht und das erste Mal am Mousonturm zu sehen ist, in Zusammenarbeit mit dem Dramatiker Dmitrij Gawrisch ein theatrales Game, in dem politische Ideale und persönliche Interes-sen unvereinbar nebeneinander stehen. Das Publikum spielt sich durch den Po-litthriller und entscheidet am Ende selbst über den Lauf der Geschichte.

Das Konservatorium in Birmingham hat als einziges in Großbritannien den tradi-tionellen Kanon musik- und kunsthistorischer Bezugspunkte und virtuoser handwerklicher Praktiken unter dem Leitgedanken „putting things together“ konsequent erweitert. Verlaak, Ingamell und Norman, drei Studierende kurz vor dem Abschluss, verbinden im  Rahmen der HTA-Ringvorlesung in ihrer Lecture-Performance #BirminghamNewMusic (Fr. 9.12., 18 Uhr) Kompositions- mit Aufführungspraxis und erforschen Strategien und Systeme, die Klänge, Dinge und Handlungen diverser Gestalt und Art neu zueinander in Beziehung setzen.

In der Reihe FP Extra ist der in Graz geborene Schriftsteller und Übersetzer
Clemens J. Setz (12.12., 20 Uhr) zu Gast, der beauftragt wurde für die nächs-ten Frankfurter Positionen ein Stück zu schreiben, das vom Nationaltheater Mannheim im Februar im Mousonturm uraufgeführt wird. Für seinen 2011 er-schienenen Erzählband Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes erhielt Setz den Preis der Leipziger Buchmesse.
Konzerte und Lesungen
Hip Hop, Township Tech, Electro und Rock: DJ, Produzent und Bandleader Spoek Mathambo (3.12., 21 Uhr, Afropean), aus Soweto und Star der südafri-kanischen Szene, mixt zeitgenössische urbane Sounds mit dem Appetit eines Werwolfs und sucht stets neue ästhetische Pfade. Seine EPs und Alben Mshini Wam (2010) und Father Creeper (2012) haben den Afrofuturismus eines Besse-ren belehrt. Im Mousonturm gibt er jetzt mit seiner Band scharfkantig den Ton an für alles, was vom afrikanischen Kontinent noch zu hören sein wird.

Lubomyr Melnyk ist mit seinem seit den 1970er Jahren entstandenen, über 120 Stücke umfassenden Œuvre, zumeist für Solo-Klavier oder zwei Klaviere, ein außergewöhnlicher Komponist und Pianist. Mit seiner „Continuous Music“, in der amerikanische Minimal Music und spätromantische Harmonien und Melo-dien aufeinandertreffen, hat er eine charakteristische Klangsprache geschaffen. Auf seiner Illirion Tour 2016 (5.12., 21 Uhr) wird man Werke hören, deren un-gemein schnell gespielte Einzeltöne sich zu einem ungebrochenen tranceartigen Klangstrom verbinden.

Enno Bunger, feinsinniger Melancholiker, exzellenter Geschichtenerzähler, selbstironischer Entertainer, bewegt mit Worten, überrascht mit Wendungen und fesselt mit Spannungsbögen, toller Band und ebensolcher Lichtshow wie seine Flüssiges Glück-Tour bewies, die große Säle zum Tanzen brachte. Mit der HERZEN AUF LINKS – AUF DIE LEISE TOUR (6.12., 21 Uhr) kehrt der Wahlham-burger zu seinen Ursprüngen zurück, die ihn 2012 mit dem millionenfach-gehörten TV-Noir-Meilenstein Regen bekannt machten, begleitet von Schlag-zeuger Nils Dietrich und Multiinstrumentalist Onno Dreier.

Wer schreibt heute noch Briefe? Nein, Ich will nicht schuld sein an deinem Niedergang – ein moderner Briefwechsel (7.12., 20 Uhr, Lesung) ist ein SMS-Schlagabtausch und als solcher eine Zumutung 2.0 zwischen dem Hamburger Schmuckpunk Rocko Schamoni und dem Wiener Fernsehgaukler Christoph Grissemann. Sie schreiben gegeneinander an, das gleicht einem privatistischen Shitstorm mit offenem Visier und Hosenstall um Bier, Schmuck, Sex und das Theater.

open mike, der wichtigste literarische Nachwuchswettbewerb, wird jährlich in Berlin ausgetragen und gilt als „Türöffner“ und „Talentschuppen“. Die Sie-ger*innen machen auf ihrer Lesetour nach Wien, Frankfurt und Bern mit der
open mike – Preisträgerlesung (8.12., 20 Uhr, HLF) erstmals Halt im Literaturforum bzw. Lokal des Mousonturms. Björn Jager und Malte Kleinjung moderieren, weitere Informationen: hlfm.de.

Es weihnachtet und Max Goldt (19.12. & 20.12., 20 Uhr) kommt, denn ohne ihn können wir uns diese Zeit fast nicht vorstellen. Einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller der Gegenwart platziert scharfe Beobachtungen und schwarzen Humor, ein pures Vergnügen und ein (fast heiliges) Ritual.

Getrieben durch die Sehnsucht nach dem Leben treibt ein junges Mädchen mit-tellos und ohne Obdach durch die Großstadt, landet bei Freundinnen und auch Männern, die sie ausnutzen. Die Kraft und der Charme von Irmgard Keuns Text Das kunstseidene Mädchen (21.12., 20 Uhr) liegen in seiner unmittelbaren Sprache. Doris ist flapsig, mutig, traurig, außer sich. Fritzi Haberlandt, eine der profiliertesten deutschen Schauspielerinnen, verleiht ihr eine glänzende Gestalt und Stimme und entdeckt zusammen mit dem Pianisten und Sänger Jens Thomas, der seit 2003 auch an verschiedenen Theaterproduktion mitwirkte, die Poesie des Textes: Gelesen, gespielt, gesungen und getanzt, finden Theater, Lesung und Konzert kongenial zusammen.


PROGRAMMÜBERSICHT DEZEMBER 2016


Festival der afropäischen  Künste – Afropean Mimicry & Mockery in Theatre, Performance & Visual Arts III
24.1. – 3.12.

stitching stars – ways of (self-)representation
Mit Arbeiten von Victor Omar Diop, Andrew Esiebo, Nathalie Anguezomo Mba Bikoro, Harold Offeh & Wura-Natasha Ogunji
24.11.–3.12. Afropean / Ausstellung
Geöffnet an Veranstaltungstagen abends je 1 h vor Aufführungsbeginn
Studio 2 und Foyer im 1. OG, Eintritt frei

Theater im Bahnhof
The Shop or No Ability To Choose
1. & 2.12.
Afropean / Theater / Performance
18 Uhr, Treffpunkt Foyer im 1. OG, € 5

Dieudonné Niangouna
Nkenguégi
Erstaufführung im deutschsprachigen Raum
1. & 2.12.
Afropean / Theater
19 Uhr, Saal, € 19 / erm. € 9
jeweils mit Einführung um 18.30 Uhr

SCÈNE
Neue Theaterstücke aus dem frankophonen Afrika
3.12.
Afropean / Szenische Lesung / Diskussion
18 Uhr, Lokal, Eintritt frei

Elisabeth Bakambamba Tambwe
Pink Eye
3.12.
Afropean / Tanz / Performance
19.30 Uhr, Studio 1, € 5

Spoek Mathambo
3.12.
Afropean / Konzert
21 Uhr, Saal, € 10


THEATER

HTA-Ringvorlesung
#BirminghamNewMusic
9.12.
Lecture / Performance
18 Uhr, Studio 2, Eintritt frei

Ivo Dimchev
Songs from my Shows
13.12.
Performance / Konzert
20 Uhr, Saal, € 19 / erm. € 9, ab 16 Jahren

machina eX
Lessons of Leaking
15.–18.12.
Performance
15.-17.12. 18–22 Uhr, alle 2 h, Studio 1, € 12 / erm. € 6
18.12., 16–20 Uhr, alle 2 h

Hofmann&Lindholm
hiding piece
16.–18.12.
Theater / Performance
15.-17.12., 17–22 Uhr, durchgehend Kommen und Gehen, Saal, € 19 / erm. € 9
18.12., 15–20 Uhr

Clemens J. Setz
FP Extra
12.12.
Künstlergespräch / Frankfurter Positionen
20 Uhr, Lokal, Eintritt frei


TANZ

Antonia Baehr
Normal Dance
9. & 10.12.
Tanz / Performance
20 Uhr, Saal, € 19 / erm. € 9


off the record. Denken in präziser Unschärfe
Mayte Zimmermann: Vom „ganz Normalen“
10.12.
Vortrag
19.30 Uhr, Studio 2, Eintritt frei


KONZERTE & LESUNGEN

Spoek Mathambo
3.12.
Afropean / Konzert
21 Uhr, Saal, € 10

Lubomyr Melnyk
Illirion Tour 2016
5.12., 21 Uhr, Saal, VVK € 30,90 / AK € 34

Enno Bunger
Herzen auf links – auf die leise Tour
6.12., 21 Uhr, Saal, VVK € 20,80 / AK € 23

Rocko Schamoni & Christoph Grissemann
Ich will nicht schuld sein an deinem Niedergang – ein moderner Briefwechsel
7.12.
Lesung, 20 Uhr, Saal, VVK € 23 / AK € 25

Hessisches Literaturforum
open mike-Preisträgerlesung
8.12.
Lesung, 20 Uhr, Lokal, € 7 / erm. € 4 (VVK+AK)

Ivo Dimchev
Songs from my Shows
13.12.
Performance / Konzert, 20 Uhr, Saal, € 19 / erm. € 9, ab 16 Jahren

Max Goldt
19. & 20.12.
Lesung, 20 Uhr, Saal, VVK € 16,40 / AK € 17

Fritzi Haberlandt & Jens Thomas
Das kunstseidene Mädchen
21.12.
Lesung, 20 Uhr, Saal, VVK € 27,40 / AK € 29

Auf Ihre Akkreditierung freuen wir uns und stehen für weitere Fragen gern zur Verfügung.

—> download 161115_PM-Dezember.pdf