Fr. 21.04.2017

Programm Mai Mousonturm

Marcelo Evelin / Demolition Inc.
Dança Doente
Erstaufführung im deutschsprachigen Raum

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

im Mai zeigen wir zwei herausragende Aufführungen aus Südamerika: Aus Brasilien, das die beste Tanzszene des Kontinents aufzuweisen hat, kommt Marcelo Evelin mit seiner Kompanie Demolition Incorporada zurück nach Frankfurt, um bei uns – nur wenige Tage nach der Uraufführung beim Kunstenfestivaldesarts in Brüssel – sein neuestes Stück als Erstaufführung im deutschsprachigen Raum zu zeigen. Es handelt vom japanischen Butoh, dem „Tanz der Schatten“, und dessen Erfinder Tatsumi Hijikata. Dança Doente (Kranker Tanz, 11.-13.5, 20 Uhr, MT-Koproduktion) heißt das Werk, in dem sich Evelin das Universum dieser radikalen modernen Tanzbewegung aneignet und mit seiner tollen Kompanie aus Hijikatas faszinierenden Ideen ein außergewöhnliches Tanz¬erlebnis formt. Evelins Choreografien sind raumgreifende, visuell intensive und für Zuschauende durchaus körperlich spürbare Erfahrungen; schon Batucada (2015) und Suddenly Everwhere is Black with People (2016) begeisterten das Frankfurter Publikum.

Aus Argentinien kommen die besten Theatergruppen und Dramatiker Südamerikas. Spielfilm, Schauspiel und Puppentheater bringt der bekannte Autor und Regisseur Mariano Pensotti aus Buenos Aires in seinem neuen, zeit- und weltumspannenden Stück auf magisch-geniale Weise zusammen. Ausgangspunkt ist der hundertste Geburtstag der Oktoberrevolution von 1917 und deren feministische Errungenschaften. Humorvoll und intelligent erzählen Pensotti und die großartigen Schauspielerinnen und Schauspieler seiner Grupo Maréa in Loderndes Leuchten in den Wäldern der Nacht (Arde brillante en los bosques de la noche, 31.5.& 1.6., 20 Uhr) die Geschichte dreier Frauen von heute und ihrer „revolutionären“ Verbindungen: Eine Professorin gibt Seminare zur Russischen Revolution an der Universität von Buenos Aires und begegnet dem Geist der Revolutionsfeministin Alexandra Kollontai. Eine ehemalige Guerillakämpferin kehrt aus Kolumbien in ihre deutsche, ihr fremd gewordene Familie zurück. Eine Fernsehmoderatorin reist in den Norden Argentiniens, wo Nachfahren russischer Emigranten als Stripper und Callboys für Frauen aus der Mittelschicht arbeiten. Über allem steht die stets aktuelle Frage: Wie können politische Ideale im Alltag umgesetzt werden?

Auch Frankfurter Künstler bringen Film und Theater in ein virtuoses Wechselspiel: Wahre Ereignisse und aktuelle Zeitbezüge bilden für Regisseur Stéphane Bittoun die Grundlage für sein neues Stück Der Tag, an dem es Nelken regnete (3. – 5.5., 20 Uhr, MT-Koproduktion), mit dem er sich künstlerischen, politischen und individuellen Formen der Wahrnehmung widmet und den Wirklichkeiten, die diese erschaffen. Im Mittelpunkt stehen ein Regisseur, dessen neues Filmprojekt auf die Gefahren der globalen Überwachung aufmerksam machen will, eine „Highly Sensitive Person“, die Geheimdienste, paranoide Sicherheitsfanatiker und Untergrundkämpfer wegen ihrer extremen Wahrnehmungsbegabung im Visier haben, und ein mysteriöser Flugzeugabsturz.

Ein anspruchsvolles Tanzprogramm präsentiert im Rahmen der Tanzplattform Rhein-Main auch wieder ZuKT – die Tanzabteilung der HfmDK für zeitgenössischen und klassischen Tanz an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main. ZuKT_present (19.& 20.5., 20 Uhr; 21.5., 18 Uhr) bietet 2017 Ausschnitte aus Vile Parody of Address von William Forsythe, aus Unter dem Hundsstern von Stephan Thoss, aus einem Stück von Iván Pérez für Balletboyz und weiter Choreografien von Cameron McMillan, Georg Reischl, Johannes Wieland und Dieter Heitkamp.

Isabella Roumiantsev (Regiestudentin an der HFMDK) inszeniert mit einem Performer und einem Tänzer eine klangintensive Performance an einem Wasserbecken, um das sich das Publikum wie zu einem Ritus versammelt. Mit ihrer Performance beschreiben sie ein Universum, das dissoziativ, arhythmisch und paranoid ist, in dem Substanz, Identität, Raum und Zeit invertiert und verzerrt sind: INVERSUM (Uraufführung 12.5. 18:30 Uhr, 13.5., 16 & 18:30 Uhr, HTA, MT-Koproduktion),

Maximilian Brands, Clara Reiner und Christopher Weickenmeier (Studierende der Angewandten Theaterwissenschaft in Gießen) erarbeiten eine Choreografie bedingungsloser Fürsorge, eine Einübung ins Aufeinanderangewiesen-Sein, ein Zusammenleben in maßloser Anhänglichkeit. Dass sie in einem Theater sind und die nächste Aufführung kurz bevorsteht, wird kontinuierlich verdrängt: what if where
I am is what I need  (Uraufführung 6.5., 17 & 20 Uhr, 7.5., 18 Uhr, HTA, MT- Koproduktion).

ongoing project, gegründet am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen, lädt zum Kolleg zur Wiederentdeckung des Klassenbewusstseins (18.5., 19 Uhr, MT-Koproduktion) und innerhalb dessen zu Gesprächsrunden, die untersuchen, wie sich die Forderungen von Fabrikarbeiter*innen, Selbständigen, Geflüchteten, Arbeitslosen, und im Haushalt Arbeitenden als Gesamtinteresse artikulieren lassen. Zu#1 My female* body, our feminist war! treffen Juanita Henning (Gründerin von Doña Carmen e.V., Verein für soziale und politische Rechte von Prostituierten), und Bojana Kunst (Philosophin, Dramaturgin und Performancetheoretikerin) aufeinander; Christian Krähling (Vertreter des Amazon-Streik-Bündnis) und Elfriede Harth (Netzwerk Care Revolution), begegnen sich in Runde#2 Bildet Banden! Mobilisierungen und Taktiken im Arbeitskampf . Die städteübergreifende Gesprächsreihe bildet die künstlerische Recherche und in einer abschließenden Performance im September 2017 wird kollektiv verhandelt, wie sich die einzelnen Anliegen als gemeinsame formulieren lassen.

Die zehnte Ausgabe der Frankfurter Salongesprächen zur Mädchenarbeit des Frauenreferats der Stadt Frankfurt widmet sich im Mousonturm dem für die Gesellschaft sowie für konkrete Angebote der Jugend- und Mädchenarbeit unumgänglichen Thema (R)echte Mädchen (10.5., 18 Uhr). An diesem Abend werden kritische Analysen und Positionen entwickelt, um Stellung gegen rassistische Inhalte und antifeministische Vereinnahmung geschlechterpolitischer Themen zu beziehen.

LESUNG

Dietmar Bär, vielfach ausgezeichneter Schauspieler und einer der beliebtesten Tatort-Kommissare, liest zum Ausklang von „Frankfurt liest ein Buch“ aus Benjamin und seine Väter von Herbert Heckmann. Dem Hauptschauplatz des Romans, der Berger Straße, ganz nahe, bringt Bär uns im Mousonturm die Erzählung von
Schuld und Sühne mit warmherzigem Humor näher: Ausgeplündert (7.5., 11 Uhr).

Witzig, aber ernst gemeint, schreibt die Journalistin, Moderatorin, Buchautorin und Schauspielerin Katrin Bauerfeind darüber, was es heute heißt, Frau zu sein. Sie streift schlechten Sex, gute Freundinnen, Playmobilfrisuren, Gebärdienstverweigerung und die Frage, warum Frauen sich vielleicht manchmal besser prügeln sollten. Hinten sind Rezepte drin – Geschichten, die Männern nie passieren würden (7.5.,
20 Uhr) ist ein Buch … ohne Rezepte.

KONZERT & SHOW

Ein stressiger Job im Parkhaus, die Mutter bettlägerig und der zänkische Freund Bernd „Bernie“ Würmer im Rollstuhl: Jürgen Dose hat es nicht leicht, beschließt aber sein Liebesleben und das seines Freundes endlich selbst in die Hand zu nehmen. Von verheerenden Erfahrungen beim Speed-Dating, der Suche nach dem Glück bei einer Busfahrt nach Breslau und vielem mehr erzählt Heinz Strunk unerbittlich in Jürgen – Die Show (8.5., 20 Uhr). Für seinen Roman Der goldene Handschuh, nominiert für den Leipziger Buchpreis, erhielt Strunk den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2016.

Sóley Stefánsdóttir, Mitglied der Band Seabear, ragt seit Jahren mit eigenwilligen Indie-Pop Kompositionen aus der an nordischer Exzentrik reichen isländischen Musikszene heraus. Mit ihrer fragilen und zugleich starken Stimme erforscht die Multiinstrumentalistin mysteriöse Parallelwelten und zelebriert im Mousonturm kurz nach Erscheinen ihres neuen Albums Endless Summer mit ihrer Musik eine melancholisch Spannung, die einen sofort in ihren Bann zieht: Sóley (14.5., 20 Uhr).

Der italienische Songwriter Vinicio Capossela (15.5., 20 Uhr) ist nicht nur in seiner Heimat eine Größe. Bildgewaltig, emotional erzählt er in seinen Liedern von den (politischen) Härten und Freuden des Lebens, von Ausbeutung, Armut und Stolz einer jahrhundertealten, eigenständigen Kultur. Lustvoll treffen italienischer und mexikanischer Folk aufeinander, griechischer Rembetiko, kapverdischer Morna, Rockbeats und südamerikanische Rhythmen, nostalgisch und plötzlich auch aufbegehrend.

Mathias Schabows (16.5., 20 Uhr) Kompositionen klingen harmonisch, haben eher elegante Bögen als scharfe Kanten. Souverän und entspannt fusioniert der Frankfurter Pianist klassische Musik der Spät-Romantik mit Modern Jazz zu atmosphärischen Landschaften. Mit dem eigenen Label hat er bereits die fünfte CD mit Solo-Kompositionen produziert, die auch in seine live Konzerte mit einfließen werden.

Last but not least freuen wir uns wieder auf das Japanische Filmfestival Nippon Connection 2017 (23. – 28.5.), das heuer zum 17. Mal stattfindet, mit hochkarätigen Filmen, neuen Workshops, Vorträgen, Konzerten und verlockenden japanischen kulinarischen Köstlichkeiten!

Über Ihre Akkreditierung und kritische Begleitung unseres Programms freuen wir uns und stehen für weitere Fragen gern zur Verfügung.

Mit herzlichen Grüßen
Künstlerhaus Mousonturm

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