corponomy – Politiken des Körpers in Tanz, Performance und Gesellschaft

#iamnotvirus – mit diesem Hashtag machen Menschen asiatischer Abstammung weltweit seit Wochen auf diskriminierende Zwischenfälle aufmerksam, die sie seit Ausbruch des Corona-Virus erleben. Mitmenschen wechseln ihren Platz im Bus, halten sich einen Schal vor den Mund oder attackieren sie mit rassistischen Beschimpfungen. Die Betroffenen werden aufgrund ihrer physischen Erscheinung pauschal verdächtigt das Virus in sich zu tragen. Rassismus und Diskriminierung setzen immer beim Körper an. Es sind häufig körperliche Markierungen, die Ausschluss oder Zugehörigkeit in einer Gemeinschaft definieren und die über die Bewegungsfreiheit von Menschen entscheiden. Der Körper ist Kampfplatz von (Identitäts-)Politik, (Wert-)Ökonomie und (Bio-)Macht – Objekt staatlicher Maßnahmen und gesellschaftlicher Zuschreibungen, die regeln, was als „normal“, „gesund“ und erwünscht gilt und was als anders, fremd, bedrohlich und unerwünscht. Doch in ihrer biologischen, historischen, ökonomischen und kulturellen Konstruiertheit sind Körper als unser Zugang zur Welt und Mittel des Selbstausdrucks immer auch ein Stück weit widerständig. Sie machen Ambivalenzen spürbar und entziehen sich immer wieder einer klaren Zuordnung. Dieser Zustand verunsichert und schafft manchmal sogar Misstrauen. Wir erleben dies auch im Mousonturm tagtäglich. In Reaktion auf Stücke, die Körpern in ihrer Uneindeutigkeit und sinnlichen Eigenheit einen Raum geben, fehlen immer wieder die Sprache und das Instrumentarium, um mit dem Erlebten umzugehen oder diese besonderen Körper überhaupt wahrzunehmen. Deshalb widmen wir dem Themenschwerpunkt „corponomy – Politiken des Körpers“ einen Großteil unseres Programms in den verbleibenden Monaten dieser Spielzeit bis Mitte Juli und schaffen ein Forum, das die Verschränkungen von Ethik, Ästhetik und Politik im Feld der Körper und ihrer Bewegungen beleuchtet. Welche Strategien entwickeln die körperbasierten performativen Künste, die üblicherweise besonders mit Präsenz verbunden werden, um die Vergangenheit zu (be- )greifen, die zugleich in die Gegenwart hineinragt, so zum Beispiel mit Blick auf Formen der Kolonialisierung oder Diskriminierung? Welche unsichtbaren Operationen und Mechanismen formen unsere Körper, normieren unsere Wahrnehmung, unsere räumlichen, sexuellen und gesellschaftlichen Orientierungen? Gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern und dem Publikum erproben wir Zugänge zur Komplexität des Körpers, im Betrachten oder im eigenen körperlichen Einsatz, in sprachlicher Distanznahme oder irgendwo dazwischen. So nähern wir uns den „Politiken des Körpers“ multiperspektivisch und verbinden internationale und transdisziplinäre künstlerische Positionen mit innovativen Workshop-Angeboten und vielstimmigem Diskurs.

Gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung

Der Titel „corponomy“ durfte freundlicherweise von der gleichnamigen Lecture-Performance von Eisa Jocson übernommen werden, die am 26.6. im Mousonturm zu sehen sein wird.