Ernst 2012

Wäre es nicht schön, wenn der Rest der Welt, so wie der Mousonturm, nach ein paar Monaten des Umbauens und Sanierens einfach wieder den regulären Spielbetrieb aufnähme? Unter optimierten Voraussetzungen, versteht sich. Doch die Lage ist ernster. Spätestens seit wir erkannt haben, dass all unsere Ressourcen, wir selbst eingeschlossen, bald erschöpft sein werden, bleibt uns nur, auf die kommende Generation zu hoffen. Kinder sind heute die wichtigste unter den erneuerbaren Energien. Und sie können gar nicht schnell genug erwachsen gemacht werden, um dann bitte all das wieder zu richten, was wir Erwachsenen zerstört und falsch gemacht haben.

Im September 2012 feiert das Künstlerhaus Mousonturm seine Wiedereröffnung mit Performance, Theater, Installation und Choreografie. Entlang der Kunstprojekte stellen wir die Fragen, was es heute heißt, erwachsen zu sein und erwachsen zu werden. Wie verantwortungsbewusst sind wir eigentlich und was heißt es, als Bürger mündig zu sein?

Weitreichende Einsichten hierzu liefert Gob Squad gleich zu Beginn. In einem öffentlichen Laborexperiment versammelt das deutsch-britische Künstlerkollektiv Kinder und Jugendliche, die vor den Augen ihrer erwachsenen Beobachter ihr zukünftiges Leben entwerfen. Ob und wie ein Künstlerkollektiv nach bald zwei Jahrzehnten erfolgreicher Zusammenarbeit selber erwachsen wird, ermitteln die Mitglieder von Gob Squad in einer zweiten Performance auf abgründig charmante Weise.

Dass die Grenze des Erwachsenwerdens zu einer bedrohlichen Kampfzone geworden ist, zeigen zwei Arbeiten der belgischen Theatergruppe Ontroerend Goed. Die radikalen Verteidigungsstrategien der jugendlichen Akteure machen die Gewalt hinter den Kraftanstrengungen spürbar, mit der wir die kommende Generation gegenwärtig umsorgen, bilden und erziehen. Der Schweizer Gesprächskünstler Mats Staub nähert sich den gravierenden Spuren, die das Überschreiten dieser Grenze in unseren Biografien bereits hinterlassen hat und sammelt, archiviert und inszeniert mit wacher Neugier individuelle Erinnerungen ans Erwachsenwerden.

2000 begann der belgische Choreograf Ives Thuwis im Düsseldorfer FFT gemeinsam mit Jugendlichen Tanzprojekte für ein erwachsenes Publikum zu entwickeln. In den vergangenen Jahren haben die Beteiligten von einst ihre eigenen künstlerischen Wege eingeschlagen. Als Künstlerkollektiv Dream Land wird nun erstmals wieder gemeinsam gearbeitet. Das neue Projekt, das im November am Mousonturm Premiere feiert, sucht dabei nach einer „Poetik der Utopie“, in der Theater und Tanz das Aufscheinen von Grenzen und Differenzen möglich machen.

Die Fähigkeit zum Spiel ist es, die mich, bei allem Ernst der Lage, zu mir selbst, zu anderen und zur Welt auf immer neue Weise in Beziehung setzt. Daher konzentrieren sich die Arbeiten von Dries Verhoeven und Ontroerend Goed auf den einzelnen Zuschauer. Wobei es hier nicht ums Mitmachen geht, sondern darum, zur zentralen Figur, zum Spielenden zu werden. Die Inszenierungen verweisen auf noch unerforschte Möglichkeiten, auf die Offenheit einer unbestimmten Zukunft, sie verweisen auf uns selbst. Und sie machen Lust, der Feststellung von Tim Etchells Glauben zu schenken und seiner Einladung zum Spiel zu folgen: the future will be confusing.